Mein
photographischer Ursprung liegt eindeutig bei den Sammlerinnen, nicht bei den
Jägern.
Diese
Traumatisierung brachte aber keinen Entwicklungsschub meiner Wegwerfmentalität. Im
Gegenteil.
Gleiches durch das Gleiche zu heilen – wie die Homöopathie exerziert – war möglicherweise mein frühreifer Schluss. Oder vielleicht war ich kindliche Pragmatikerin und machte das Beste aus der Situation? Wenn ich schon nicht ordentlich werden kann, dann wenigstens ordentlich unordentlich. Damit es sich in sieben Jahren wenigstens lohnt und ich mit einem fulminanten Comeback des Gehorteten beglückt werde. Wenn schon, denn schon.
Obwohl
ich ein Nachkriegskind bin, geht es eigentlich nicht um das Häufen von Werten.
Oder um Sparen für schlechtere Zeiten. Es ist schlicht und ergreifend die
Unfähigkeit, mich von etwas zu trennen.
Denn
ich halte es mit dem kleinen Prinzen: "Was die Rose so wertvoll macht, ist die
Zeit, die Du mit ihr verbracht hast." Die Zeitschrift aus dem Jahr 1975 hat mich
als junge Mutter, die zwischen Bauklötzen und Schmusetieren hockend darin
blätterte, erlebt. Der Weizen aus den 80er-Jahren, an denen sich die Mäuse
laben, ist noch vor dem Tschernobil-Desaster gewachsen. Der Webstuhl, der den
halben Dachboden verstellt, war Arbeitsgerät eines alten Mannes, den ich zwar
nie kennengelernt habe, aber dessen mir bekannte Tochter ihn verheizen wollte.
Wie kann ich diese Geretteten dem Verderb preisgeben, nur weil mein Dachboden
an den Grenzen seiner Kapazität angekommen ist? Eben!
Aber
es gibt noch einen anderen Grund: ich bin ein barocker Mensch, lebe in der
Fülle und aus der Fülle. Meine Gedanken entstehen nicht in der
Zurückgezogenheit, sondern sie finden ihre Nahrung an Gesehenem. Wenn mein
Blick auf etwas fällt, tun sich Tiefen und Weiten auf.
Dazu muss ich weder etwas be-sitzen, noch
er-stehen. Ich kann mir diese Welten er-gehen, um mich darin zu ergehen.
Genau an diesem Punkt explodiert meine Lust, das
Gesehene und in meinem Kopf Gesammelte festzuhalten. Den Augenblick
einzufrieren, das eben Gefühlte zu konservieren. Denn ohne Gefühl kein Bild.
Zumindest kein gutes.
"Fotografien sammeln heißt die Welt sammeln" postuliert
Susan Sontag in "Über Photographie".
Da stimme ich ihr zu.
Sammeln von Photos sehe ich nicht als verwerflich, solange ich
mir bewußt bin, dass ich nur mein Bild von der Welt sammeln kann. Ich kann und vor allem will
nicht die Welt sammeln, schon gar nicht die Menschen, deren Abbild ich mir
aneigne. Ich sehe die Welt mit meinen Augen, gebe sie aus diesem Blickwinkel
wieder und bin mir der Subjektivität bewußt. Ich bin dankbar für die Einblicke,
die mir gewährt werden.
Ich stelle mit meinen Bildern Beziehung her und
baue eine Beziehung zu den Bildern auf. Wie das Sammlerinen so tun.
Je mehr Zeit jedoch zwischen dem Festhalten und dem
Betrachten des Bildes verstrichen ist, je länger ein Photo in meiner Sammlung
abgelegen ist, desto mehr löst es sich vom tatsächlichen Bild. Eine Abstraktion
greift Raum, quasi eine Entfremdung. Die Relation zwischen den Bildkomponenten,
das Licht und die Komposition treten in den Vordergrund und erst dann ist es
mir wirklich möglich, die Qualität des Photos einzuschätzen.
Nur wenige meiner Photos halten meiner Kritik
stand, wenn ich mich denn zu selbiger aufschwinge. Ich tröste mich mit den Worten von Ansel Adams:
„Twelve significant photographs in any
one year is a good crop“. Weniger aufbauend ist dabei dieses Zitat, das sowohl Helmut Newton, als auch Henri Cartier-Bresson zugeschrieben wird: "Die ersten 10.000 Aufnahmen sind die
schlechtesten". Ich kann leider nicht sehen, dass sich nach meinen ersten
10.000 Aufnahmen die Qualität der Bilder extrem gesteigert hat.
Ein weites Feld für endlose Betrachtungen eröffnet
sich… Aber nun zurück zu meiner Sammelwut, zurück zum Festhalten.
Tröstlich ist für mich, dass diese
Bilder, sowohl auf Barytpapier als auch gepixelt, nicht nur nach sieben Jahren
zurückkommen. Nein, sie bleiben auf Dauer. Wenn bei letzteren nicht der
Datenträger den Geist aufgibt.
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