Samstag, 3. Dezember 2022

VON FRAUEN UND MÄCHTEN

Frau ist am Freuwerk und am Dankwerk und am Denkwerk. Ausgelöst durch eine umwerfende Frau: Beate Thalberg.

So Sie zur kleinen, aber feinen Anhänger:innenschaft meines Blogs gehören, haben Sie ja schon über meine Grabungsarbeiten in Sachen Familiengeschichte gelesen und auch den Hinweis auf "DIE DOPPELTE FRAU", die Webserie rund um meine Großmutter und meine Mutter und deren Salzburger Atelier Photo Ellinger, die Beate Thalberg erdacht, entwickelt und geschaffen hat.

Und wo soll ich jetzt mit meiner Schwärmerei anfangen? Bei all den Filmen, die diese erstaunliche Regisseurin schon geschaffen hat? Geschaffen schreibe ich ganz bewusst, denn von der Idee bis zum fertigen Film ist es ihr Werk. Auch wenn klarer Weise viele Menschen daran mitarbeiten.

Ja. Das ist vielleicht ein guter Ansatzpunkt. Ich habe Beate Thalberg zwei Mal in voller Aktion, nämlich bei Drehs, erlebt und davon erzähle ich Ihnen jetzt.


Der erste Dreh fand am 8. April 2021 statt, als wegen der verordneten Covid-Maßnahmen und meiner besonders großen Vorsicht ein Dreh in Wien nicht möglich war. Da sind also die Regisseurin Thalberg, die Kamerafrau Anna Hawliczek und drei Helping Hands nach Salzburg zu mir nach Hause angereist. Es war ausgemacht, dass sie alle gemäß den strikten Vorschriften des ORF (und zu meiner Beruhigung und Sicherheit) "vor Betreten des Hauses" einen Covid-Schnelltest machen ließen, also wurde organisiert, dass eine Fachkraft aus der Apotheke zur vereinbarten Zeit die Tests durchführen sollte. Und zwar im Carport, was ja im Vorfrühling durchaus vertretbar schien.

Was soll ich Ihnen sagen: Es schneite, war bitter kalt, der Zug hatte Verspätung und das Auto, in dem Kamerafrau nebst Kamera und all die anderen technischen Notwendigkeiten ankommen sollte, steckte im Schnee. (Sagen wir einmal so, an den genauen Grund kann ich mich nicht erinnern, aber "im Schnee stecken" klingt schön dramatisch).


Die arme erste schon verspätete Partie schlotterte im Freien, wurde getestet, schlotterte weiter. Die zweite Partie kam mit noch ordentlicherer Verspätung, wurde auch getestet, schlotterte auch in der Kälte. Obwohl ich heißen Tee und Decken ins Vorhaus brachte, wo die Armen auf ihren Befund warteten, weil der Carport unvertretbar war. Aber eiskalt ist eiskalt. Kein Murren, nur Schlottern war zu vernehmen.

Als dann endlich alle (negativ) getestet waren und sich ins warme Haus retten konnten, war keine Missstimmung zu vernehmen, alle, auch das durchwegs sehr junge Team waren freundlich, konzentriert und höchst rücksichtsvoll. Bewegten sich im Haus vorsichtig, fragten, wenn sie Möbel oder Bilder anders arrangieren wollten und nahmen auch maskiert Bedacht auf die potenzielle Ansteckungsgefahr.

Besonders ist mir eine rührende Szene in Erinnerung, als ich für eine Aufnahme den Vorhang zurückschieben sollte. Der junge Mann, der am Boden liegend einen Scheinwerfer auf mich richten sollte, tuschelte mit Frau Thalberg und die gab dann an mich weiter, dass er wissen wollte, ob es mich stören würde, wenn er so nah käme. Allein, dass ihm das ein- bzw aufgefallen ist, habe ich lieb gefunden.

Dann kam Anfang Februar 2022 der Dreh in Wien, in der Villa Beer. Im schneebedeckten Salzburg und bis weit nach Niederösterreich schneite es wieder, in Wien war zum Glück der Vorfrühling schon spür- und sichtbar. Ich reiste zwar unansteckend, aber krank an und war deshalb besonders feinfühlig. Dreharbeiten sind mir nichts Neues, der Druck, der sich dabei zusammenballt, der nach vielen stressigen Wochen der Vorarbeit kumuliert, ist verständlich. Ich hatte erwartet, ihn vor Ort wahrzunehmen.

Zu meiner Verwunderung habe ich zwei Tage in extrem wertschätzender, freundlicher und trotzdem natürlich hochkonzentrierter Atmosphäre erlebt. Abgesehen davon, dass in der Früh höflich von allen Anwesenden die Gültigkeit der PCR-Tests überprüft und während der gesamten Drehzeit selbstverständlich die Masken getragen wurden, war das Thema Covid/Corona nicht vorhanden. Die jeweilige Person vor der Kamera legte während der Aufnahmen die Maske ab und man konnte hören, wann die Aufnahme beendet war. Denn wir alle vergaßen in diesem Augenblick die Maske, die wir irgendwohin außerhalb der Kamerareichweite hingemogelt hatten, wieder aufzusetzen. Und so hallte regelmäßig ein freundliches "Maaskee" der auch diesbezüglich aufmerksamen Kamerafrau durch die offenen Räume.

In diesem emotional wohligen Klima habe ich auch andere ganz besondere Menschen kennengelernt. Allen voran Reinhold Fragner, für visual effects zuständig, der die Scans, die ich geliefert habe, so grandios bearbeitet hat. Auch er ein außergewöhnlicher, interessanter und uneingebildeter Mensch. So wie Silvia Heimader, die für das multimediale ORF-Archiv zuständig ist und der "Doppelten Frau" Bewegtes aus Salzburg beigesteuert hat. Und natürlich hat auch ein erquickliches Gespräch mit Gerald Heidegger stattgefunden, dem Chef von Topos, der die Webserie "Die Doppelte Frau" ermöglicht und begleitet und die Begleittexte verfasst hat.

Oder auch Lily Ammann, die, obwohl so "blutjung", ihre Animationen mit Fingerspitzengefühl dem jeweiligen Alter der Betty Steinhart auf den Leib gezeichnet hat. 

Mit Lisa Ortner-Kreil, der Kunsthistorikerin, die mir den Blick von außen auf die Photos meiner Großmutter und meiner Mutter eröffnet hat, hatte ich ebenso anregende Gespräche wie mit Florian Wenninger, dem Historiker, der in diesem Betty-Steinhart-Fall die individuelle Geschichte meiner Großmutter in den historischen Kontext stellte.

Besonders amusant waren die Gespräche mit der Schauspielerin Teresa Vogl, die eine Sängerin in einer Tanzbar spielt. Mit ihr sollte ich mehrmals bei laufender Kamera einen Gang von einem Raum zu einem fixierten Punkt im nächsten Raum "in Bananenkurve" ausführen. So locker wir vorher getratscht haben - in Wiederholung auf Geheiß munter zu plaudern und die Banane zu machen (nein, nicht zu machen, zu gehen) ist für jemanden wie mich, die ich nicht wirklich ans Leben vor der Kamera gewöhnt bin, gar nicht so einfach. Vor allem wenn man - verkabelt - nicht sicher ist, ob nicht doch der Ton mitläuft. Aber ich bekam ja in aller Ruhe und Freundlichkeit mehrere Chancen. Nun beherrsche ich die Banane perfekt, kann sie aber nicht mehr anwenden.

Last not least war da auch noch Victoria Morino, die - im Archiv der Salzburger Festspiele arbeitend - ein unfassbares und umfassendes Wissen um die Ellinger-Photos ab 1920, dem Beginn der Salzburger Festspiele, angesammelt hat. Ihrer Aufmerksamkeit und der Tatsache, dass sie sich aktiv bestens vernetzt, ist es überhaupt zu verdanken, dass Beate Thalberg auf ihrer Suche nach einem Ellinger-Kontaktmenschen zuerst an meinen Neffen Andreas Sanders, mit dem Frau Morino bei der Arbeit am Salzburger Kulturlexikon Kontakt hatte, und dann an mich gekommen ist. Auch Frau Morino ist eine Frau, die mit ihrer Kompetenz nicht prahlt, auf Augenhöhe und nach akribischer Recherche informiert und gegebenenfalls nachfragt. 

Die Gespräche mit ihr und all den anderen erwähnten Menschen und auch mit den zahlreichen "Helping Hands" in der Villa Beer waren erkenntnisreich und schlicht wonnig.

Können Sie sich vorstellen, wie wohltuend es war, während der gesamten gemeinsamen Zeit, in der die Crew unter Hochspannung und Druck gearbeitet hat, nie ein ungeduldiges, rüdes Wort, nie ein Herumgebrülle (das ich sogar verstanden hätte), sondern ausschließlich - ich wiederhole mich - gegenseitige Wertschätzung und Entgegenkommen wahrzunehmen?

Das hat mit der Seele der Produktion zu tun. Mit Beate Thalberg, die von der Idee über das Drehbuch und die akribische Recherche bis zur Regie samt sämtlichen notwendigen Vor- Zwischen- und Nachschritten alles in der Hand hatte. In der Hand, in Hirn und Herz.


Den Umgang, den Frau Thalberg mit ihren Mitarbeitenden zeigte, war für mich in einer Weise angenehm, die den Gedanken aufsteigen ließ: "So hätte ich mir meine Vorgesetzten/Leitenden/Verantwortlichen (und das war sie in diesen geschilderten Momenten) auch gewünscht." Nur einmal in meinem Berufsleben war mir dieses Vergnügen gegönnt. Ist es Zufall, dass es auch eine Frau war, die mit mir und meiner Arbeit so konstruktiv und wertschätzend umgegangen ist?

Über die lange, fast zweijährige Zeit der Vorarbeit, bei der Frau Thalberg und ich lange Stunden telefoniert und ellenlange Mails hin- und hergeschrieben haben, habe ich viel von ihr kennengelernt. Denn sie macht sich greifbar, damit auch angreifbar.


Es läge fast auf der Hand, dass sie sich (wie bei vielen anderen zu beobachten) in Anbetracht ihrer Leistungen und Auszeichnungen, ihres Intellekts, ihrer Vorstellungskraft und ihres Könnens abgehoben inszinieren würde, dass sie ausschließlich in großen Linien ihres Projekts dächte und jene, deren Geschichte sie erzählt, als Materiallieferant:innen behandelte. 

Das hat sie aber nicht notwendig, das wäre nicht sie. Sie hat sich Feinfühligkeit und Gespür bewahrt. Sie ist eine Zuhörerin mit großen Ohren, die mitdenkt und nachfragt. Die dadurch Erkenntnisse auf beiden Seiten provoziert. Sie geht mit der Geschichte - in meinem Fall jener meiner Familie - behutsam und mit BeDacht um. Sie ist, um es auf den Punkt zu bringen, einfach großartig. So Sie mich ein bissl kennen: Ich bin eine sehr kritische Frau und Lobeshymnen wie diese auf Frau Thalberg entschlüpfen mir nicht leicht und nicht von ungefähr.


Wenn Ihnen das bisher Gelesene schon zu viel des im doppelten Sinn des Wortes Guten scheint, so muss ich leider noch ein Schäuferl drauflegen und die nächste Frau hervorheben.

Im Rahmen des Projekts der "Doppelten Frau" hat Viola Wörter vom ORF Salzburg ein langes Gespräch mit mir geführt und auch einen Dreh bei und mit mir und einen in der Wohnung meiner Großmutter mit Beate Thalberg und mir gemacht. Auch sie ist eine außergewöhnliche Frau, auch sie hat eine so angenehme, entspannte Atmosphäre sowohl im Studio, als auch während der Drehs / des Interviews geschaffen. Vor allem bewundere ich, wie sie aus dem vielen erhaltenen Material punktgenau das Wesentliche herausgenommen, sinnvoll zusammengesetzt und schlüssige, einfach gute Sendungen gemacht hat.


Auch darüber freue ich mich und danke ich. So wie allen anderen, die mir diese Reise in die familiäre Vergangenheit so denkbar erquicklich gestaltet haben. Allen voran - wie haben Sie das nur erraten - Beate Thalberg.


Soviel zu den Frauen; hiermit habe ich den ersten Teil des Titels "Von Frauen und Mächten" ausführlich vor Ihnen ausgebreitet. Was und wo aber sind die angesprochenen Mächte? In welchem Arbeitsumfeld, mit welchen Vorgaben und welchem Druck bewegen sich diese großartigen Frauen?

Zwar habe ich während meines Studiums einige Frauen aus der Film- und Pressebranche über die Kräfte und Mächte, die sie hemmen, sprechen gehört, aber ich weiß über die aktuelle Situation zu wenig, als dass ich darüber schreiben würde. Ich ahne vieles, ich spüre vieles und sehen kann man auch einiges, wenn man wachsam ist.

Deshalb meine Fragen: Wann werden endlich mehr immens fähige Frauen, die sich nicht mit Oberflächlichkeit und Ellbogentechnik hervortun, die nicht der Fraktion der Blender und Täuscher angehören, in ihren überragenden Qualitäten auch in Institutionen (welcher Art auch immer) adäquat wahrgenommen und eingesetzt? Wann werden sie mächtig in einem neuen, positiven und nicht missbräuchlichen Sinn? Wann endlich bekommen auch fähige, sich nicht in den Vordergrund drängende, selbstkritische und aufmerksame Männer die öffentliche Achtung, die ihnen gebührt?

Ich warte schon seit Jahrzehnten mit abnehmender Geduld darauf.


PS: Auch hier fehlt mir wieder einmal zufriedenstellendes Bildmaterial. Beim Dreh in Salzburg habe ich nur drei Photos gemacht, in der Villa Beer habe ich den pittoresken Verfall des großartigen Gebäudes und ein bissl was, auf dem man die Film-Aktivität erahnen kann, lediglich mit dem Handy aufgenommen. Ist nicht wirklich als Illustration meines Texts geeignet, aber Sie sind meine legendären Bild-Text-Scheren ja eh schon gewohnt. Diese im Grunde kaum passenden Bilder in dementsprechend endenwollender Qualität zeige ich hier. Der Rest der Geschichte spielt sich sowieso im Gefühl ab, dafür gibt es nur "innere Bilder". Hoher Qualität.

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