Freitag, 27. März 2020

HOME SWEET HOME: VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG

Frau ist am Wühlwerk. In zahllosen Bildern aus der Familiengeschichte, gespickt mit ebenso zahllosen Dokumenten, Kaszetteln und anderen Schriftstücken, die über die Jahrzehnte bis Jahrhunderte gehortet und letztendlich in grenzenlosem Durcheinander hier gelandet sind.



Eigentlich hatte ich mit dieser Aufarbeitung des familiären photographischen Durcheinanders angefangen, weil ich eine Anfrage bezüglich meiner außergewöhnlichen Großmutter und ihres Ateliers erhalten hatte. Mit der Bitte um Photos.

Atelier Carl Ellinger Salzburg

Zur Erklärung der von mir gezeigten Photos: Die Bilder, die sie hier sehen, dokumentieren meine Wühlarbeiten ab dem relativ harmlosen Beginn im Wohnzimmer bis zum jetzigen Zeitpunkt im dafür frei geräumten Büro. Die großen Ikeaschachteln, die bis zum Abschluss des Familienphotoprojekts als Ordnungshilfe dienen, sind noch bummvoll mit Bildern, im Depot warten weitere große und volle Behältnisse. Mitleidsbezeugungen werden entgegengenommen. 


Warnung: Sollten Sie Archivarin oder Archivar sein, klicken sie umgehend weiter. Baumwollhandschuhe? P.A.T. zertifizierte Behältnisse? Erstere werden sinnlos, wenn man die Bilder aus Platzmangel am Boden ausbreiten muss und zweitere werden bestellt, sobald klar ist, wieviele Schachteln welcher Größe ich brauche. Die nicht wenigen Photos ab 18x24 ruhen bereits in geeigneten Mappen. Und die Filme... ach, reden wir von etwas anderem...



Aber jetzt weiter in meiner "Leidensgeschichte"...Da meine Großmutter so wie dann auch ihre Tochter, sprich meine Mutter, Photographin war und zahllose andere Verwandte mit Hingabe, Ausdauer und Intinsität ebenfalls photographiert haben und die Jungen noch immer photographieren, blicke ich auf ein ausuferndes Gewirr von Bildern. Wobei ich nicht verschweigen möchte, dass ich selbst ebenfalls mit reichlich Material beigetragen habe. Zum Glück photographiere ich seit ca. 2005 fast ausschließlich digital.



Das Gewirr hat Tradition, denn archiviert wurden nur die Photos des Ateliers. Des Ateliers "Carl Ellinger" in Salzburg, dem Lebenswerk meiner Großmutter und meiner Mutter. Bei dessen Auflösung sind zum Glück die Bilder an jene Einrichtungen gegangen, in denen sie entstanden sind. Deswegen liegt nun nur mehr ein kleiner Teil davon (wohl geordnet!) bei mir, der Rest befindet sich zB im Archiv der Salzburger Festspiele und im Archiv des Mozarteum. Davon werde ich später einmal berichten.



Private Bilder jedoch wurden in unterschiedlichste Behältnisse gestopft. Alles durcheinander, kaum je beschriftet. Da auch ich wie viele junge Leute in zarterem Alter lediglich marginal an Familienhistörchen interessiert war, habe ich zwar mehr oder weniger höflich aber nicht rasend aufmerksam zugehört, wenn meine Mutter von den Vorfahren berichtet hat.


Das Interesse daran wuchs mit dem Alter und jetzt würde ich nur zu gern wissen, wer denn auf einem ausnahmsweise beschrifteten Bild so glücklich in die Kamera lächelt. Der Text ist leider nicht so wirklich aufschlussreich: "Das bin ich!". Ach!


Ich wühle mich also durch Bilderberge von 7 Generationen und 6 Familienzweigen. Und wenn ich Bilderberge sage, ist das keine Übertreibung. Es wurde nämlich in meiner Familie nicht nur eifrig produziert, es wurde auch alles aufgehoben. Nicht nur Bilder, es wurde generell alles aufgehoben. Wen wundert es also, dass ich nicht wegwerfen kann? Da kann ich nichts dafür, das ist genetisch bedingt!


Nein, ich will gar nicht drüber jammern, denn ich finde es spannend, das Zinsbüchl aus dem Jahr 1917, den Lehrvertrag aus dem Jahr 1944 oder den Einkaufszettel aus dem Jahr 1937 in der Hand zu haben. Und die Briefe und auch die Postkarten, für die meistens irgendwelche Familienphotos Verwendung fanden, geben oft wichtige Hinweise.


Wenn ich sie denn mühsam dechiffriert habe. Ich kann relativ gut Kurrent lesen, aber das Entziffern wächst zur Herausforderung an, wenn winzig klein gefuzelt wurde oder mit Sauklaue geschmiert. Besonders heftig ist die Zeit der Schriftumstellung, in der Buchstaben in Kurrent und lateinischer Schreibschrift wild durcheinander gewürfelt wurden.


Das also ist eines meiner Projekte, mit denen ich die Tage im trauten Heim fülle - und es gibt durchaus weniger Interessantes! So langsam erkenne ich Menschen, die Generationen vor mir gelebt haben, auf den Bildern wieder und kann mich ihnen annähern. So wie zum Beispiel dem früh verstorbenen Vater meiner Mutter, der ihr liebevollst Postkarten geschrieben hat, als sie 2 Jahre alt war. Er hat mich gerührt, das Eintauchen in diese Beziehung zwischen Vater und Tochter ist berührend.


Wundern sie sich also nicht, falls ich mich länger nicht melden sollte. Im Zweifelsfall bin ich in der ordnend zu bewältigenden Vergangenheit gefangen, aus der ich mich jedoch bestimmt durch das derzeit grassierende Putzen und Räumen wieder rauskatapultieren werde.

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