Freitag, 10. Februar 2012

MUTTER WO BIST DU? PART TWO

Vor längerem habe ich den Part one von Mutter wo bist Du gepostet. Wer one sagt, muss auch two schreiben. Also...



Momentan bin ich zwar recht friedlich - aber das kann sich ändern, wenn ich mir das zweite einschlägige Lieblingsthema vor Augen führe.



Die Gelegenheiten, bei denen ich von einer freundlichen Teilnehmerin eines Gesprächs zur Furie mutierte, sind Legion. Konfliktscheue Freunde (ja, waren bzw sind alles Männer) wissen inzwischen genau, wann sie den Kopf einziehen müssen. 



Denn dass es ihnen nicht gelingen wird, mich davon abzuhalten, wie die Rächerin der Enterbten auf die Agressoren loszustürmen, haben sie spätestens nach dem ersten Abwiegelungsversuch erkannt: Wenn sie die Frau in Fahrt ist, dann "Rette sich wer kann". Vor allem, wenn sie den meist süffissant ausgesprochenen, an irgendeine andere Frau gerichteten Satz hört: 

AHA. SIE HABEN KEINE KINDER...



Dieser Satz ist ja eigentlich nur eine nüchterne Feststellung, die im Grunde irrelevant ist. So KANN man ihn verstehen. Ich betone KANN.

  
Greift man nun aber zB auf das gute, alte Kommunikationsmodell der "vier Ohren" von Friedemann Schulz von Thun zurück, so beinhaltet jeder noch so banale Satz vier Bedeutungsebenen. Auf diesen breite ich mal den oben zitierten Satz aus und beziehe ihn auf eine ganz konkrete Situation.



Eine meiner Freundinnen, ich nenne sie hier origineller Weise XYa, eine Sozialwissenschafterin, war kurz vor der Abgabe ihrer Habilitation, eine Professur vor Augen. Sie war und ist eine extrem intelligente, erfolgreiche Frau. Ihre Beziehung war instabil, sie und ihr damaliger Freund konnten weder mit- noch ohne einander. Sie kamen nicht voneinander los. Absolut keine Voraussetzungen für ein gemeinsames Kind, obwohl sie es sich so gewünscht hatte.


Stellen Sie sich jetzt eine angeregte Diskussion im universitären Umfeld vor, zB über die Verbindung von Forschung und Lehre unter Berücksichtigung der angespannten Personalsituation an österreichischen Universitäten.



XYb, ein männlicher Kollege, der seit Jahren nach einer Professur giert, breitet gerade mit Inbrunst die Frage des nötigen persönlichen Kontakts zu den DiplomandInnen aus und flicht sein angebliches Problem der Vereinbarung von Beruf und Familie ein, da kommt - mit süffissantem Grinsen - die Feststellung: Naja, trifft Dich nicht, Du hast ja keine Kinder...


Auf der Sachebene eine korrekte Feststellung. XYa hat keine Kinder, kann sich daher der Lehre und der Betreuung von Studierenden ohne Rücksicht auf familiäre Pflichten widmen.



Auf der Ebene der Selbstkundgabe wird damit ausgedrückt: Ich bin ein engagiertes Familientier, ein Vater, der sich um seine Kinder kümmert. Impliziert ist auch die Rechtfertigung für die nicht brillante universitäre Karriere des Herrn XYb. Ich wäre ja viel erfolgreicher, müsste ich mich nicht der Familie widmen, meine Karriere für sie opfern. (Muß ich anführen, dass er sich eine Frau leistete, die Haus und Hof für ihn bestellte, die Kinder aufzog und seine alte Mutter versorgte? Naja, lassen wir das.)



Auf der Beziehungsseite („Was ich von dir halte oder wie wir zueinander stehen“) wird es dann haarig. Denn hier kommt das Disziplinierungsmittel der gesellschaftlichen Norm zum Tragen. Wir leben zwar im Jahr 2012, aber das archaische Modell der Mutterschaft hat noch nicht ausgedient; zumindest schlummert es unter der Oberfläche und kann bei passender Gelegenheit als Waffe verwendet werden. Ist noch immer schnittig und hat verletztende Schärfe, denn so rasch wie unser Denken ist unser Gefühl im Ablegen von Althergebrachtem nicht.



Im Klartext war also die Mitteilung: Ich halte Dich nicht für eine "normale" Frau, denn Du hast keine Kinder (geboren) und sorgst für niemanden.


Peng. Nicht nur, dass archaischen Muster wie der Mythos der Mutterschaft alle in uns virulent sind und gegen unser Hirn direkt ins Gefühl zielen, dieser Satz hat eine Frau getroffen, die sich aus welchen Gründen auch immer ein Kind gewünscht hat.


Die Appellseite ("Wozu ich dich veranlassen möchte") lasse ich offen. Möge sich die geneigte LeserInnenschaft selbst einen Reim darauf machen.


Abschließend möchte ich noch bemerken, dass es mir nach wie vor ein diebisches Vergnügen bereitet, soche Leute mundtot zu machen. Mundtot. Das ist Verbalgewalt. Eigentlich versuche ich, mit meinen Wörtern behutsam und bewußt umzugehen. Wenn ich aber ehrlich bin: in solchen Situationen wünsch ich mir gerade das. Mundtot zu machen.


Frau geht nach einer erprobten Strategie ans Werk. Zuerst fahre ich anscheinend disziplinierungsbettelnd in die Diskussion, um auf die stes und reflexartig gestellte Frage: "Ja, hast DU denn Kinder?" freudestrahlend kundzutun, dass ich als Alleinerzieherin von drei Kindern nicht nur gearbeitet, sondern auch meine Ausbildung absolviert habe.



Peng zurück! Da steigt dann der köstliche, süße Nebel des Argumentationsnotstands aus den tiefen der sexistischen Seelen - und ich genieße es!


Ja, so bin ich eben. Bösartig und schlagkräftig. Bei manchen Themen...

Und übrigens gilt das auch bei der Frau am Werk!
PS: Näheres zu Schulz von Thun und auch zum o.a. Modell finden Sie hier.

Wobei ich betonen möchte, dass das Modell weder neu, noch wirklich umwerfend ist und ich einigen anderen Kommunikationsmodellen wesentlich mehr anhänge. Aber es ist so schön eingängig und bildhaft und deshalb habe ich es nicht nur hier, sondern auch in meinen Seminaren und Kursen gerne verwendet.



1 Kommentar:

  1. Dass ich hier über die Verletzung von Frauen spreche/schreibe, heißt nicht, dass ich nicht sehe, wie manche Männer unter dem gesellschaftlichen Druck leiden.
    Muss diese Gesellschaft denn in Alte und Junge (danke, Herr Schirrmacher), Kinderlose und Eltern und ich weiß nicht was alles aufgeteilt werden? Keile hineingetrieben werden? Brauchen wir immer ein Feindbild, auf dem herumgehackt wird?

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