Sonntag, 11. Dezember 2022

KARTENBLÄTTER: EINFACHE KEKS DER "DOPPELTEN FRAU"

Frau ist - wie sollte es um diese Zeit anders sein - wieder einmal am Kekswerk. Der Backwahn hat mich fest im Griff. Und weil es sich fast aufgedrängt hat, habe ich die Lieblingskeks meiner Großmutter, die inzwischen als "Doppelte Frau" in die ORF-Geschichte eingegangen ist, fabriziert.


Welche Keks das sind? Kartenblätter. Habe heute überlegt, ob sie die so gern hatte, weil sie niemand sonst geschätzt hat und sie ihr daher geblieben sind. Oder ob sie, die zumindest zu meiner Zeit selten am Herd und noch seltener am Backofen gestanden ist, diese Keks selbst machte, weil der Herstellungsprozess relativ rasch über die Bühne geht. Oder ob sie auch beim Backen ihrer Kartenspielleidenschaft gefrönt hat. Das werde ich wohl nie erfahren.

Das Rezept stammt aus dem Kochbuch von Elly, der Schwester meiner Großmutter, und dieses Stück kulinarischer Familiengeschichte ist mir dankenswerter Weise vor einiger Zeit gebracht worden. Nun sitze ich schon seit Wochen und versuche, die doch sehr individuelle Auslegung des Kurrent vollständig zu entziffern. Aber über die Probleme, die sich beim Dechiffrieren eines Kochbuchs ergeben, das Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben - oder zumindest angefangen - wurde und das Rezepte von bis zu zwei Generationen zurück (also bis ins 19. Jahrhundert reichend) beinhaltet, werde ich einmal ausführlicher schreiben. Jetzt gleich zu diesen Weihnachtsgutsis. Hier ist das Rezept.

Oje, sie können es nicht lesen? Dann also im lesefreundlicheren Verdana und zudem, quasi als Serviceleistung, darunter mit meinen wie üblich etwas umfangreich(er)en Erläuterungen.

KARTENBLÄTTER Original

Anmerkung seitlich: Betty, Anmerkung unten rechts: s.g., soll heißen sehr gut.

36 dk Zucker    
36 dk Mehl
2 g. Eier
ganz wenig Nelken
Zimt
14 dk Butter

Zusammen abarbeiten, messerrückendick auswalken, Streifen ausradeln, mit 1/2 Mandel oder mehr belegen, mit Ei bestreichen, backen.

KARTENBLÄTTER aus meiner Versuchsküche

Halbe Masse für ca. 80 Stück, auf 2 Blechen zu backen.

18 dkg (180 g) Zucker
18 dkg (180 g) Mehl*
2 ganze Eier
eine gute Prise Nelken
1 Kaffeelöffel Zimt
7 dkg (70 g) Butter
 
geschälte Mandeln zum Verzieren
Ei zum Bestreichen 

* 480 griffig oder Universal, also die Kombination von 480 und 700. Ich habe universal genommen, natürlich wie immer bio Qualität. Hier finden Sie eine Austauschtabelle für D und CH)
 
Das Mehl mit den Gewürzen und dem Zucker mischen, auf ein Brett leeren, in der Mitte eine Mulde graben und kalte, klein gewürfelte Butter und die Eier darin versenken. Alles möglichst rasch zu einem homogenen Mürbteig zusammenkneten. Geht natürlich auch mit wärmerer Butter und der Küchenmaschine, so finde ich es besser. Nicht nur, weil weniger Abwascherei anfällt.

Dann den Teig luftdicht verschlossen im Kühlen rasten lassen. Mürbteig ist eine der wenigen Ausnahmen, für dessen Herstellung ich Klarsichtfolie verwende. In diese schlage ich den Teig ein und lasse ihn über Nacht rasten.

Den gekühlten Teig in mehreren Partien zB auf einer wiederverwendbaren Dauerbackfolie möglichst rechtwinkelig auswalken. Ich habe darauf auf einen Hauch Staubzucker (D: Puderzucker) gestreut, damit wirklich nichts kleben bleibt. Mehl wollte ich keines verwenden, weil sonst zu viel davon im Teig landet.

Da dieser gnadenlos auf jedem Nudelwalker (in D: Roll- oder Wellholz) picken bleibt, lege ich die Klarsichtfolie über den vorher halbwegs in Form gebrachten Teig und rolle dann darüber. Da pickt nix, die Folie ist locker abzuheben. Natürlich verwende ich jene Folie, in der der Teig eingeschlagen war. Würde man ohne Folie(n) arbeiten, müsste man Nudelwalker und Brett gut bemehlen.

Messerrückendick, wie das Rezept vorsieht, wurde mein Teig nicht ausgewalkt. Ich habe die 3 mm dicken Teighölzer (im verlinkten Text unten, sehr empfehlenswert!) verwendet. Dünner wäre besser.

Mit einem möglichst gezackten Teigrad auf ca. 6x2 cm ausradeln, mit einer Palette seitlich aufheben und mit kleinem Abstand auf das Blech transferieren und noch einmal im Kühlen bis Kalten rasten lassen. Was die Größe betrifft: die Kartenblätter meiner Großmutter waren größer, ich mag aber generell lieber kleine Kexemplare.


In der Zwischenzeit die Mandeln zerteilen. Das hat mich kurz vor ein Rätsel gestellt - bis mir eingefallen ist, dass ich als Kind mit großem Vergnügen angeweichte Mandeln mit einem Flutsch von ihrer Haut befreit (und anschließend die in hohem Bogen durch die Küche geflutschten eingesammelt) habe, damit Großmuttern sie teilen konnte. Daher habe ich sie (nein, nicht die Großmutter, die Mandeln) mit heißem Wasser übergossen, kurz weichen lassen und danach mit einem scharfen Messer der Länge nach halbiert. Bei meiner relativ kleinen Kartenblätter-Version reicht eine (halbe) Mandel in der Mitte, größere Exemplare kann man mit mehr Mandeln bestücken.

Dann rasch auf den inzwischen wieder durchgekühlten Teig die Mandeln leicht eindrücken, danach alles mit gut verquirltem Ei bestreichen und ab in den heißen Ofen.

Aus Energiespargründen habe ich beide Bleche gleichzeitig bei 160° Umluft 16 Minuten lang gebacken, bis sie Farbe angenommen haben. Das untere Blech hat noch zwei Minuten Nachzeit bekommen. Besser wäre es, jeweils nur ein Blech bei maximal 180° Ober-/Unterhitze zu backen und, bei näherer Betrachtung, den Kartenblättern etwas weniger Farbe zu gönnen.

Dieser (relativ) fettarme Mürbteig ist dank des hohen Zuckeranteils nicht mürb, sondern knackig. Hart wäre ein zu unschönes Wort. Deshalb wäre es ideal, könnte man ihn noch dünner, also wirklich messerrückendick ausrollen. Werde ich nächstes Jahr probieren.

Für heute reichts. Energiesparend habe ich nach dem morgendlichen Brotbacken Kartenblätter, Karamellschnitten, Szekler Kuchen (das Rezept habe ich noch nicht raufgeladen, mache diese Keks selten und diesmal nur auf allgemeinen Wunsch eines einzelnen Herrn) und "Je runder desto gut", meine Eigenkreation in Anlehnung an ein Rezept von 1907, diesmal unfreiwillig in einer neuen Variante, gebacken. Die Keks haben ihren Duft in meiner Nase so nachhaltig hinterlassen, dass ich nach getaner Arbeit dringend eine Schnitte Schwarzbrot brauchte - mit einer großen Portion Essiggurkerl.


Die Kartenblätter werden wohl nicht der große Renner werden, sie sind zu schlicht. Das war in meiner Kindheit das traurige Kartenblätter-Schicksal und ebendieses wird sie wohl wieder ereilen. Naja, sie ruhen gut im Kühlen in einer Keksdose, in der sie sich lange halten. Ich werde sie voraussichtlich zizerlweis (aka peu à peu) selbst mampfen und dabei an meine Betty-Großmutter denken. Hat ja auch was.

Sollten sie mehr von ihr und ihrem Atelier Photo Ellinger wissen wollen, so schauen Sie sich doch auf ORF Topos die sechsteilige Serie von Beate Thalberg an. Die Episoden sind zwar kurz, aber es empfiehlt sich trotzdem nicht, sie während des Keksbackens anzuschauen. Sonst werden Ihre Keks so dunkel wie meine Kartenblätter.

Links zur Webserie "Die doppelte Frau"

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