Frau war bei frühlingshaftem Wetter am Photographier-, Spazier- und Sinnierwerk. Das Alter trieb sich im Sinn rum. Bei diesem doch für manche Menschen etwas heiklen Thema sind Illustrationen des Geschriebenen eher zu vermeiden. Also greife ich auf eine von mir zum Tanzen gebrachte Lichterkette zurück. Daran kann man gegebenenfalls eigene Gedanken und Imaginationen aufhängen.
Viele Veränderungen, die sich mit dem Alter einschleichen, merkt man selbst kaum oder gar nicht. Klar, die stärker werdenden Kräfte der Erdanziehung, die auf unseren Körper einwirken, lassen sich nicht wirklich übersehen. Auch nicht der intensivierte Faltenwurf. Beides gehört einfach dazu und da ich alte Gesichter liebe und (mit Ausnahmen) per se schön finde, ist mir das Geknittere relativ egal. Wobei in meinen Augen Schönheit in den Gesichtern vorwiegend durch den Charakter und das Gelebte geprägt ist; weit entfernt von gängigen Schönheitsidealen und schon gar von plastischer Chirurgie und anderem Verfremdendem.
Wahrscheinlich merkt man zum Beispiel lange nicht, wenn man langsamer wird. Meinen Kindern habe ich aufgetragen, mir den Führerschein und die Autoschlüssel abzunehmen, sollte ich nicht selbst merken, dass meine Reaktionsgeschwindigkeit gefährlich nachlässt. Dies sei am Rande bemerkt.
Um das Langsamwerden so lange wie möglich hinauszuzögern, konstruiere ich immer wieder extreme Stresssituationen und freue mich nach erfolgreicher Bewältigung wie eine Schneekönigin, dass ich nach wie vor ein flottes Tempo vorlege (wenn ich will). Auch das nächtelange Durchmachen funktioniert bestens.
Deshalb tendiere ich wie viele meiner AlterskollegInnen dazu, mich um Jahre bis Jahrzehnte jünger zu fühlen. Meistens. Und dann passieren aber Dinge, die mich zum Nachdenken bringen...
Zum Beispiel, wenn ich einen Verflossenen aus längst vergangenen Tagen nach Ewigkeiten wieder treffe, ihn frage, wie es ihm denn so geht, und als geseufzte Antwort bekomme: "Naja, es muss halt gehen." Huch! Wo ist der Esprit, wo die Lebenslust? Es fällt mir zwar ein, dass ich damals (lang, lang ist's her...) nächtelang auf seine schmerzende, sitzunwillige Wirbelsäule Rücksicht nehmend in Bars rumgestanden bin und sehnsüchtig nach den freien Sitzen geschielt habe. Aber ein Schock ist es trotzdem, wenn man diesem in sich zusammengesunkenen, traurigen alten Mann nachschaut.
Heute hat sich wieder so ein Schreckensmoment über mich ausgebreitet, als ich einen Freund aus mittleren Jugendzeiten (von heute aus gesehen...) an der Bushaltestelle erspähte. Die Figur zerflossen und das ehedem füllige Haar zu zarten, mühsam um den Kopf gewundenen Strähnchen verkommen. Über diese Art der Unfrisur hatten wir doch "damals" gemeinsam gelästert! Außerdem hat sich das Größenverhältnis umgedreht: Einstens überragte er mich um mindestens einen Kopf, jetzt ist mir dieses Privileg zugefallen.
à propos Kopf: Ich wüßte ja zu gern, was sich in den Köpfen jener, deren Zustand ich hier nicht gerade liebevoll beschreibe, angesichts meines Anblicks tut. Wahrscheinlich, so fürchte ich, Ähnliches. Auch ich war einmal jünger, man möchte es nicht glauben.
Üblicher Weise breitet sich im Gespräch mit Älteren die Gnade der Höflichkeit und manchmal auch der glatten Lüge aus. "Gut schaust Du aus" strömt da ohne Widerstand aus manchem Mund - egal, wie katastrophal die jeweilige, bestens ablesbare Tagesverfassung auch sein möge.
Aber solches kommt absolut nicht aus allen Mündern. Zu meinem riesigen Vergnügen hat sich heute Folgendes abgespielt:
Ein flüchtiger Bekannter, den ich nur einmal in meinem Leben vor ein paar Jahren gesehen habe und der unwesentlich jünger ist als ich (was man ihm aber schon damals nicht angemerkt hat, die Reife kam früh über ihn...), hat mich angerufen. Offensichtlich weil er nach wie vor nicht fähig ist, die Nummern in seinem Handy samt Namen einzuspeichern, denn er wollte gar nicht mich erreichen.
Da er mich aber schon an der Strippe hatte, fragte er mich mit umwerfendem Charme: "Und, geht es Dir noch gut?" Bruhaha. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sich ums Thema Altersfolgen herumschlängelt. Da ich schleunigst aus der unmittelbar auf meine flockig lockere Antwort folgenden Darlegung seines imaginiert jugendlichen Lebens entfliehen wollte, informierte ich ihn, dass ich gerade beim Photographieren und daher "leider" eher kurz angebunden sei. Und welche Antwort legt er mir daraufhin mit Bewunderung in der Stimme zu Füßen? "Ach, Du photographierst also noch!"
Das allzu laute Lachen konnte ich mühsam unterdrücken, aber ich musste leider lügen. Ich, die gerade gemütlich am brettlebenen (dtdt: eben wie ein Brett) Kai in die Stadt schlenderte und lediglich die leichte Steigung einer Brückenunterführung zu bewältigen hatte, behauptete, auf einer Bergwanderung zu sein, was ein weiteres Gespräch wirklich unmöglich mache. Diese sehr effiziente Lüge - er verfiel, da Flachländer, in Schockstarre - hörte ein gerade ebenfalls hochalpin vorbeischlendernder junger Mann und der grinste so keck, dass es ein Vergnügen war.
Jeden Tag passieren solch wunderbare Dinge ja leider nicht und obwohl ich sehr wohl die Vorteile des Alter/n/s genieße und dankens-, da unverdienter Weise gut und flott damit lebe, schreckt mich das immer näher rückende Ablaufdatum. Über "best before" bin ich im konventionellen Sinn ja schon länger hinaus, aber zum Kompostieren reicht es eindeutig nicht. Mir geht es nämlich sehr gut! Das "noch" lasse ich großzügig weg.
Altern gehört zum Leben und die einzig vorhandene Alternative zum Altern wäre mir überhaupt nicht willkommen.
Wahrscheinlich merkt man zum Beispiel lange nicht, wenn man langsamer wird. Meinen Kindern habe ich aufgetragen, mir den Führerschein und die Autoschlüssel abzunehmen, sollte ich nicht selbst merken, dass meine Reaktionsgeschwindigkeit gefährlich nachlässt. Dies sei am Rande bemerkt.
Um das Langsamwerden so lange wie möglich hinauszuzögern, konstruiere ich immer wieder extreme Stresssituationen und freue mich nach erfolgreicher Bewältigung wie eine Schneekönigin, dass ich nach wie vor ein flottes Tempo vorlege (wenn ich will). Auch das nächtelange Durchmachen funktioniert bestens.
Deshalb tendiere ich wie viele meiner AlterskollegInnen dazu, mich um Jahre bis Jahrzehnte jünger zu fühlen. Meistens. Und dann passieren aber Dinge, die mich zum Nachdenken bringen...
Zum Beispiel, wenn ich einen Verflossenen aus längst vergangenen Tagen nach Ewigkeiten wieder treffe, ihn frage, wie es ihm denn so geht, und als geseufzte Antwort bekomme: "Naja, es muss halt gehen." Huch! Wo ist der Esprit, wo die Lebenslust? Es fällt mir zwar ein, dass ich damals (lang, lang ist's her...) nächtelang auf seine schmerzende, sitzunwillige Wirbelsäule Rücksicht nehmend in Bars rumgestanden bin und sehnsüchtig nach den freien Sitzen geschielt habe. Aber ein Schock ist es trotzdem, wenn man diesem in sich zusammengesunkenen, traurigen alten Mann nachschaut.
Heute hat sich wieder so ein Schreckensmoment über mich ausgebreitet, als ich einen Freund aus mittleren Jugendzeiten (von heute aus gesehen...) an der Bushaltestelle erspähte. Die Figur zerflossen und das ehedem füllige Haar zu zarten, mühsam um den Kopf gewundenen Strähnchen verkommen. Über diese Art der Unfrisur hatten wir doch "damals" gemeinsam gelästert! Außerdem hat sich das Größenverhältnis umgedreht: Einstens überragte er mich um mindestens einen Kopf, jetzt ist mir dieses Privileg zugefallen.
à propos Kopf: Ich wüßte ja zu gern, was sich in den Köpfen jener, deren Zustand ich hier nicht gerade liebevoll beschreibe, angesichts meines Anblicks tut. Wahrscheinlich, so fürchte ich, Ähnliches. Auch ich war einmal jünger, man möchte es nicht glauben.
Üblicher Weise breitet sich im Gespräch mit Älteren die Gnade der Höflichkeit und manchmal auch der glatten Lüge aus. "Gut schaust Du aus" strömt da ohne Widerstand aus manchem Mund - egal, wie katastrophal die jeweilige, bestens ablesbare Tagesverfassung auch sein möge.
Aber solches kommt absolut nicht aus allen Mündern. Zu meinem riesigen Vergnügen hat sich heute Folgendes abgespielt:
Ein flüchtiger Bekannter, den ich nur einmal in meinem Leben vor ein paar Jahren gesehen habe und der unwesentlich jünger ist als ich (was man ihm aber schon damals nicht angemerkt hat, die Reife kam früh über ihn...), hat mich angerufen. Offensichtlich weil er nach wie vor nicht fähig ist, die Nummern in seinem Handy samt Namen einzuspeichern, denn er wollte gar nicht mich erreichen.
Da er mich aber schon an der Strippe hatte, fragte er mich mit umwerfendem Charme: "Und, geht es Dir noch gut?" Bruhaha. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sich ums Thema Altersfolgen herumschlängelt. Da ich schleunigst aus der unmittelbar auf meine flockig lockere Antwort folgenden Darlegung seines imaginiert jugendlichen Lebens entfliehen wollte, informierte ich ihn, dass ich gerade beim Photographieren und daher "leider" eher kurz angebunden sei. Und welche Antwort legt er mir daraufhin mit Bewunderung in der Stimme zu Füßen? "Ach, Du photographierst also noch!"
Das allzu laute Lachen konnte ich mühsam unterdrücken, aber ich musste leider lügen. Ich, die gerade gemütlich am brettlebenen (dtdt: eben wie ein Brett) Kai in die Stadt schlenderte und lediglich die leichte Steigung einer Brückenunterführung zu bewältigen hatte, behauptete, auf einer Bergwanderung zu sein, was ein weiteres Gespräch wirklich unmöglich mache. Diese sehr effiziente Lüge - er verfiel, da Flachländer, in Schockstarre - hörte ein gerade ebenfalls hochalpin vorbeischlendernder junger Mann und der grinste so keck, dass es ein Vergnügen war.
Jeden Tag passieren solch wunderbare Dinge ja leider nicht und obwohl ich sehr wohl die Vorteile des Alter/n/s genieße und dankens-, da unverdienter Weise gut und flott damit lebe, schreckt mich das immer näher rückende Ablaufdatum. Über "best before" bin ich im konventionellen Sinn ja schon länger hinaus, aber zum Kompostieren reicht es eindeutig nicht. Mir geht es nämlich sehr gut! Das "noch" lasse ich großzügig weg.
Altern gehört zum Leben und die einzig vorhandene Alternative zum Altern wäre mir überhaupt nicht willkommen.
Liebe Susanne, ich bin gerade ziemlich in deinen diversen Texten "versunken" und möchte nicht 2 Wochen - bis zum nächsten gemeinsamen Italienischkurs - warten, um dir zu sagen, wie wunderschön sie zu lesen sind und wie sehr sie mir gefallen. Danke dafür!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Carina
Liebe Carina, entschuldige, auch diesmal wurde mir nicht gemeldet, dass ein Kommentar eingetrudelt ist. Daher die verspätete Veröffentlichung und die ebensolche Reaktion.
LöschenDabei freue mich generell über Kommentare und über so nette ganz besonders!
Danke.