Dienstag, 19. November 2024

ANKOCHEN GEGEN DIE MUTLOSIGKEIT: VON APFELTIRAMISÙ UND KAKI-MANGO-MARMELADE BIS SELLERIESALZ

Frau ist wieder eimal am Sinnierwerk. Vom weltweiten Rechtsruck angefangen bis zur Klimakatastrophe drückt so vieles schwer aufs Gemüt, die kurzen Tage mit den langen grauen Phasen wirken auch nicht wirklich stimmungsaufhellend. Und was macht meinereine? Sie bäckt Brot, kocht Marmelade ein, macht Musik, hätschelt die Pflanzen und unternimmt Photowalks. Rückzug ins Private? Biedermeier as Biedermeier can?

Najjja... ganz gelingt es mir eh nicht, dazu lese ich zu viele Zeitungen, dazu nutze ich zu sehr alle Möglichkeiten, meine politischen Überzeugungen zu leben und hoffentlich auch weiterzugeben. Aber die häuslichen Auszeiten von all dem Wahnsinn sind meine Strategie, selbigen ohne psychischen Defekt zu durchleben. Und nicht mutlos zu werden.

Damit die geschätzten Leser:innen was davon haben, hier der rezeptbegleitete Erfahrungsbericht der Aktivitäten der vergangenen Tage in SuGos Experimentierküche. Folgen Sie mir - so Sie überhaupt Lust haben - in die Banalität meines Alltags, beginnen wir mit den Voraussetzungen meines Marmeladenexperiments.

Die Herkunft der Früchte

Letztes Jahr habe ich eine göttliche Mango-Kaki-Marmelade geschenkt bekommen und war erpicht, sie nachzukochen.

Nachdem ich brav auf die Saison der beiden Früchte gewartet habe, folgte die Bestellung von Mangos und Kakis und auch Avocados. Wie immer bei sogenannten Südfrüchten über CrowdFarming, direkt bei den in diesem Falle spanischen Produzentinnen. 

Habe hier schon einmal über CrowdFarming geschrieben, spreche auch heute wieder eine dringende Empfehlung aus. Bioqualität, saisonales Angebot, (fast) essreif gepflückt, nicht zwischengelagert, nicht künstlich gereift, aus Europa und daher ohne Flugtransport. Ich bestelle immer für Familie und Freund:innen mit und freue mich schon auf die Zitrusfrüchte aus Italien. Aber darüber demnächst.

Diesmal war die Sache aber etwas vertrackt, denn kurz nach meiner Bestellung brach über Valencia, wo die beiden Fincas liegen, auf denen die Früchte geerntet wurden, das grauenhafte Unwetter herein. Das hatte zur Folge, dass die Kiste mit den Mangos und den Avocados wundersamer Weise zum vorgesehenen Termin ankamen, die Kakis aber fast eine Woche später. Hab Letztere nicht photographiert, denn sie waren optisch vom Schlamm gezeichnet, der sich aber leicht entfernen ließ. Ich hatte ganz im Gegensatz zu den armen Finca-Leuten nur ein winziges Problem: Die Mangos waren trotz kühler Lagerung viel schneller reif als die Kakis.

Es stellte sich als glücklicher Zufall heraus, dass es sich um Sharon handelte, also eine Sorte, der die Gerbstoffe herausgezüchtet wurden und die man daher auch genießen kann, wenn sie nicht vollkommen reif sind. Das wusste ich natürlich vorher, entschied mich dafür wegen der angenommenen besseren Transporteignung. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass so weiche Kakis, wie ich sie letztes Jahr von der Nachbarin meiner Freundin in der Provence bekommen hatte, den Transport überleben. Siehe oberes Bild. Wir haben eine Woche mit Lust gegen das Verderben angegessen.

Meine Sortentipps schreibe ich am Ende des folgenden Rezepts.

Sharon-Mango-Marmelade


1 Mango, groß
1 kg Sharon
1/2 kg Gelierzucker 2:1
Saft 1 Zitrone

Die Sharon schälen und in kleine Würfel schneiden. Die Mango kann man auf zweierlei Arten zerkleinern: Entweder sie ebenfalls schälen und in Würfeln vom Kern schneiden oder mit Schale parallel zum Kern so knapp wie möglich an selbigem runterschneiden und von der Schale in Würfeln absägen.

Mit dem Zitronensaft übergießen, den Zucker unterrühren und nach der Beschreibung auf der Zuckerpackung kochen.

Sprudelnd kochend in heiß ausgewaschene Gläser füllen, sofort verschließen und bei großem Sicherheitsbedürfnis oder auch bei gemächlichem Arbeiten nach dem Einfüllen das Glas kurz auf den Kopf stellen, damit sich auch der verbleibende Luftraum über der Marmelade auf mindestens 80 Grad erwärmt.

Tipps

Die Marmelade schmeckt vorzüglich, aber meines Erachtens nicht ganz so gut wie mit vollreifen Kakis. Da ich möglichst kein Obst aus Übersee kaufe (Ausnahme Fair Trade Bananen), werde ich mich nächstes Jahr nach österreichischen oder deutschen Kakis umschauen, die gibt es angeblich auch. Für irgendwas muss der Klimawandel ja gut sein.^^

Bei der Variante mit vollreifen Kakis würde ich die Marmelade pürieren, da die sich fast völlig auflösen. Ich würde sie übrigens nicht schälen, da ihre Schale im Gegensatz zu jener von Sharon-Früchten dünn und weich ist.

Kakis enthalten relativ viel Pektin, also eher kürzer als länger kochen, wenn sie feste Marmelade nicht schätzen. In diesem Fall empfiehlt sich die Gelierprobe.

Die Zitrone ist notwendig, denn beide Früchte sind so unbeschreiblich süß, da braucht es ein bissl Säure, sonst wird's zu langweilig.

Wegen der Süße verwende ich auch 2:1 Zucker.

Auffrischbrot

Da sich in meinem Eiskasten (aka Kühlschrank) schon wieder einige Gläser meiner beiden Sauerteig-Ansätze unterschiedlichen Alters angesammelt hatten, stand wieder ein Auffrischbrot auf der Dringlichkeitsliste. Vor allem vom Lievito madre, dem milden italienischen Weizensauerteig, hatte ich mittlere Massen. Den Ansatz vom Roggensauerteig hab ich meinem Komposthaufen spendiert, das regt den Verrottungsprozess an.

Das Rezept fürs allerbeste Auffrischbrot namens "Jule 2.0" verlinke ich nur, sie finden dort auch noch andere feine Rezepte. Mit diesem Brot bringen Sie übrigens auch einiges an Altbrot weg. Die alten Brotreste schneide ich klein, röste und reibe sie in einer Moulinette. Einem uralten, diesem und dem unten geschilderten Salz-Zweck gewidmeten Gerät, denn den Messern tut diese Tour de Force nicht wirklich gut.

Hab die doppelte Menge gemacht, weil auch das Brot an die Lieben verteilt wird, aber einen zu kleinen Gusseisentopf verwendet. Schaut, wie Sie oben sehen, komisch aus, aber dadurch wird der Geschmack nicht beeinträchtigt.

Überbackener Stangensellerie mit Erdäpfeln

Darüber schreib ich nur dank meines Ehrlichkeitswahns, denn das war nicht wirklich der Gipfel der Kochkunst. Der rasch im stockdunklen Garten geerntete Stangensellerie war einfach zu intensiv und trotz Vorkochens etwas zu "kernig". Aber die unterste Erdäpfel-Schicht und die mit Parmesan versetzte Béchamelsauce sowie die Raclette-Abdeckung waren durchaus köstlich.

Selleriesalz

Wirklich gelungen (da watscheneinfach) ist das Selleriesalz. Ich verwende es gern für Gemüsefonds und -Suppen.

Das Grün wird von den Stengeln gezupft, gewaschen, dann darf es eine Runde in der Salatschleuder drehen und danach in der Küche leicht übertrocknen. Anschließend werden die Blätter gemeinsam mit einer beliebigen Menge Salz in der oben schon erwähnte Moulinette oder einem anderen geeigneten Gerät pulverisiert. Falls nötig noch leicht übertrocknen lassen (ich hab das Selleriesalz auf Papier auf ein Backblech gebreitet und die Nachwärme des Ofens genutzt, als er nur mehr ca 50 Grad hatte. Offene Backofentür, ein paar Mal mit der Gabel umschichten, über Nacht bei Zimmertemperatur trocknen lassen, was die Früh olfaktorisch bereichert.

Mich stören die gröberen Teile, die noch zu sehen sind, nicht. Sonst könnte man das Kräutersalz sieben oder es noch einmal durch die Moulinette fetzen lassen.

Die paar beim Abzupfen entfernten dünnen Stängel habe ich übrigens meinem Bokashi-Kübel spendiert. Auch darüber könnte ich einmal was schreiben. Ist nämlich abgesehen vom generellen Nutzen die ideale Variante des "No Waste" für faule Leute wie mich, die zu zimperlich sind, in Kälte, Schnee und Eis durch den Garten zum Kompostbehälter zu stacksen.

Apfeliges Pseudotiramisù

Jetzt noch ein Dessert, dann haben Sie es geschafft. (Ich bewundere Ihr Durchhaltevermögen, wenn Sie sich bis hierher durchgequält... äh... gelesen haben).

Nicht wirklich perfekt, aber ziemlich gut ist es geworden, mein Apfeldingsbums. Da kann ich kein Rezept weitergeben, denn ich hab es freihändig nach Maßgabe der Vorräte gebastelt. Hier also die Annäherung daran.

Die Apfeleinlage

Säuerliche Äpfel (ich liebe Boskoop) in Würferl schneiden, mit Zimt und Nelken parfümieren. Bei süßlichen Äpfeln hilft etwas Zitronensaft. Wenig braunen Zucker leicht karamellisieren lasen, mit etwas Apfelsaft ablöschen und die Apfelstückerl kurz dünsten lassen. Das ist die Kindervariante. Ein Schluck Calvados zB statt Apfelsaft in der Tunkflüssigkeit würde sich höchstwahrscheinlich nicht störend auswirken.

Die Biskotten

Die gedünsteten, aber nicht gatschigen Äpfel rausfischen und - so man wie ich keine selbstgebackenen hat - die Savoiardi (sind von der Form her praktischer als "normale" Biskotten) ganz kurz in der übrigen Flüssigkeit, die man gegebenenfalls mit etwas Apfelsaft verlängert, tauchen und in einem möglichst rechteckigen Gefäß die erste Schicht auslegen.

Die Creme

Dazu habe ich Mascarpone, ein bissl Crème fraîche und Sauerrahm verwendet, da selbige vorhanden. Weil ich insbesondere zu Zeiten der Vogelgrippe kein rohes Ei verwenden will, hab ich auf das Lockern damit verzichtet. Der Nachteil: diese weiße Masse wurde sehr schnell fest. Zu fest, verglichen mit der Konsistenz von ordnungsgemäß hergestellter Tiramisù-Creme. Mit Mascarpone, den man mit flüssigem Schlagrahm verlängert, müsste eine cremigere Konsistenz zu erreichen sein. Ganz leicht gezuckert hab ich die Creme in einen Spritzbeutel gefüllt.

Dann einfach geschichtet: auf die getunkten Biskotten die Apfelwürferl, dann die Creme und wieder Biskotten etc. Zum Schluss, weil ich eh kaum Zucker verwendet hatte, hab ich zum Vergnügen der Kinder noch Trinkkakao (also keinen reinen Backkakao) drübergesiebt.


Das Gschafteln in der Küche also ist mein Rezept, über die einstürzende Unbill hinwegzusegeln. Es lenkt mich ab und bringt (meist) erfreuliche Produkte. 

Wenn's ganz arg wird, schnapp ich die Kamera und versenk mich in die Schönheit, die mich umgibt.

Das tut offensichtlich nicht nur mir gut. Also: Passen Sie auf sich auf und tun Sie sich was Gutes.  

Muttanken durch Sattsehen. Vielleicht ist das mein bestes Rezept. Gelingsicher.


PS: Das vorletzte Photo ist vom Gaisberg bei Salzburg aus aufgenommen, das letzte im Schlosspark von Hellbrunn.

PPS: Alle außer den beiden unteren Bildern sind lediglich mit dem Handy aufgenommen. Beim Rumpatzen schone ich lieber die Kamera. Entschuldigung für die endenwollende Bildqualität.

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