Frau ist am Nachholwerk. Leicht zerknirscht, nachdem sich offenbart hat, dass der letzte Eintrag vom Dezember 2022 ist und eigentlich ein Jahr vorher verfasst wurde. Aber was soll's: Better late than never. Diesmal geht es übrigens um Kochbücher, wie immer mit leichtem verbalen Umweg. Aber lassen Sie mich erzählen...
Einige österreichische Kochbücher aus meiner nicht riesigen, aber gediegenen Sammlung. |
Wie alles begann... |
Das Hotel Traube in Salzburg meiner Ururgroßeltern mit dem wunderbaren Namen Zierhut. |
Eine zweite Edition ist dank der nächsten Hochzeit im Jahr 2019 entstanden. Diesmal das "Hauskochbuch" (am obersten Bild mit altmodischer, güldener Beschriftung zu sehen) für meine Tochter samt Schwiegersohn, wieder mit Familien- und eigenen Lieblingsrezepten. Wobei ich den Begriff Familie sehr weit fasse, da sind auch die engsten Freund:innen inkludiert, die alle brav beigetragen haben.
Einleitung des Kapitels "Sättigungsbeilagen" aus meinem "Hauskochbuch". |
Jedes Rezept gekocht, photographiert, das Resultat erkaltet gegessen. Danach nahm mein Leibesumfang dramatisch zu und der Kochbuchschreibdrang ebenso ab und ich produzierte für die geliebte Brut nur mehr ein schmales Bändchen, die Weihnachtsädischn mit der einschlägigen Kekssammlung. Auch hier Familienrezepte und Anleihen von meinen Kochbüchern, nach meinem eigenen Geschmack aktualisiert.
Beispiel aus der "Weihnachtsädischn" für meine Süßen. |
Dann aber trat Beate Thalberg in mein Leben und ich erhielt endlich den dringend benötigten Tritt, um das Photoarchiv meiner Vormütter und ihrem Photoatelier aufzuarbeiten. Ich berichte hier davon und dann auch noch vom Dreh zur Serie noire "Die doppelte Frau", die sich um die Geschichte meiner Großmutter rankt.
Beim Archivieren der Massen von Bildern, Briefen, Dokumenten und allem möglichen anderen Gschistigschasti von inzwischen 6 Generationen und 7 Familienzweigen (uff) habe ich mich natürlich auch in die Familiengeschichte vertieft. Habe Karten von Cousinen meiner Großmutter entdeckt und dechiffriert, die mir Informationen über Frauen lieferten, von denen ich bis dato noch nie gehört hatte. Zudem habe ich aber auch viel über diverse andere, meist weibliche Vorfahrinnen erfahren. Vorerfahrungen nennt man das wohl? ;)
Triestiner rezeptspendende Tante nebst Cousine meiner Großmutter. |
Das also ist die erste Schiene dessen, das mich jetzt leicht magerlt, sprich: mir im Magen liegt. Die zweite Schiene bezieht sich auf das Kochbuch der Schwester meiner Großmutter, das vor ca. einem Jahr bei mir gelandet ist. Sie war eine großartige Köchin und hat minutiös Rezepte aus der gesamten Verwandtschaft - bis zu ihrer eigenen Großmuttergeneration, also weit ins 19. Jh. hinein - gesammelt und feinsäuberlich in ein Buch, sogar mit Inhaltsverzeichnis, geschrieben. Soweit, so gut. Aaaaber...
Auszug aus dem Rezept für Nussbeugerl (links und oben) und Bischofsbrot. |
Die gute Frau hat Zeit ihres Lebens ein sehr individuelles Kurrent geschrieben, das zu lesen etwas herausfordernd ist. Außerdem kürzt sie fröhlich ab, was, wenn man nicht sicher ist, ob man die Buchstaben überhaupt richtig entziffert hat, dem Verständnis auch nicht förderlich ist. Das dritte Problem aber ist jenes, das mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet.
Beispiel aus dem Tanten-Kochbuch: 1 Pfund Mehl - aber welches Pfund? |
Die gute Großtante namens Elly hat öfters statt der mir vertrauten Mengenangaben eine Kraxn, also ein vorerst sich mir nicht erschließendes Kürzel verwendet. Nach langem Rätseln bin ich drauf gekommen, dass es sich dabei um das Zeichen für "Pfund" handelt. Hätte ab da ja ganz leicht sein können, aaaaber again.
Sie war nicht so umsichtig wie eine andere liebe uralte Freundin (sie starb Ende der 70er-Jahre mit über 100 Lenzen), die in ihrem handgeschriebenen Kochbuch eine wesentliche Anmerkung gemacht hat. Rechts oben im unteren Bild, mit Bleistift: 56 dkg - 1 Pfund, 1 Seidl - 3/10 Liter, 2 lth - 3 1/2 dkg. Wobei in diesem Kochbuch fast alles umgerechnet ist auf Kilo und Dekagramm. (Für die Leser:innen aus D: 1 Deka/dkg = 10 g).
Rezepte für "Mehlspeisen" (Muscheln und Schesischer Kuchen) einer anderen Autorin - mit Umrechnungsangabe. |
Meine liebe Großtante war wie die oben zitierte Frau Salzburgerin, aber eine umtriebige. Hat als junge Frau einige Jahre in Paris gelebt, dann in verschiedenen Teilen Deutschlands. Die Rezepte wiederum stammen von allen möglichen Verwandten mehrerer Generationen, was sie fein säuberlich dazugeschrieben hat. Diese Rezeptspenderinnen wiederum lebten in den verschiedensten Mittel- und Südeuropäischen Regionen.
Und jetzt schauen Sie einmal in der unten wiedergegebenen Tabelle, wie schwer ein Pfund zu der von mir angenommenen jeweiligen Rezeptschreibzeit in den unterschiedlichen Ländern war. Jeweils bezogen auf das "Wiener Handelsgewicht", das mit 0,560012 kg anzusetzen ist. Wikipedia merkt an: "Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren regional unterschiedliche
Gewichtsmaße in Gebrauch, die jeweils als „Pfund“ bezeichnet wurden." Tja. Da die Rezepte teilweise von Frauen stammen, die im fraglichen Zeitraum gelebt, gekocht und gebacken haben, und weil ich nicht weiß, ob sie nicht noch ältere Rezepte wiedergaben oder an der alten Maßeinheit festhielten, bin ich nach wie vor des öfteren ratlos.
Pfundig, die verschiedenen Pfunde. Quelle: Wikipedia |
Hatte es mir so schön vorgestellt, dass ich meinen Kindern die Fortsetzung der Familienkochbücher zu Weihnachten schenke. Mit den Rezepten aus grauer Vorzeit der edlen, mit ihnen verwandten und längst verblichenen Spenderinnnen, mit deren Geschichte(n) und auch mit Bildern dieser Frauen. Aber ich komme seit einem Jahr nur mühsamst voran und bin phasenweise leicht am Verzweifeln.
Detail Rezept Nussbeugerl, manchmal kryptisch. |
Noch etwas mehr als 1 Monat bliebe mir in der Versuchsküche und am Computer zur Verfügung, etwas weniger, wollte ich das Resultat auch noch in die Buchbinderei bringen. Das geht sich nie aus, das kann ich mir in die Haare schmieren und dabei an die geliebte Tante Elly denken, die nicht nur eine wunderbare Köchin, sondern das Entzücken aller Kinder war. Von ihr habe ich auch die Engelsküche geerbt, über deren Restaurierung ich hier berichte.
Einige eifrig an der Arbeit befindliche Bewohnerinnen der erzgebirglichen Engelsküche. |
Naja, nächstes Jahr ist ja auch wieder Weihnachten (was ich letztes Jahr auch schon gesagt habe). Ein epochales Werk braucht halt so seine Zeit. Zudem muss ich die Rezepte peu à peu ausprobieren, vielleicht auch mehrmals backen, und essen muss ich ja die Produkte auch noch. Gerade wenn ich an die süßen Köstlichkeiten denke, habe ich Bedenken bezüglich der Massen an Hüftgold, des Zuckerschocks und ähnlich Unterhaltsamen. Da nutzt mir auch der schönste blühende Geldbaum, der mich heute erfreut hat und den ich unbedingt hier noch reinquetschen muss, nix. Ist auch von einer Rezeptspenderin, heißt nach ihr "Tante Trude".
Blühender, ca. 45 bis 50 Jahre alter "Geldbaum" (crassula ovata), an dem man sich erfreuen, aber auch locker einen Bruch heben kann. |
Da ich zum Glück Realistin und Pragmatikerin bin, habe ich bereits ein alternatives Kochbuchgeschenk für meine Kinder geordert. Das ging schneller als mein Monsterprojekt und kommt ihnen vielleicht auch bezüglich der Zubereitungszeiten mehr entgegen, wie der Untertitel verspricht: ÖSTERREICH express. Schnelle Klassiker und Lieblingsrezepte" von Katharina Seiser, Brandstätter Verlag, Wien 2023. Mein Tipp: Schauen Sie sich auch die anderen Seiserschen Kochbücher an, es zahlt sich aus!
Von Katharina Seiser ist übrigens das großartige Rezept für Orangenmarmelade, was ich zu meiner Schande erst heute ergänzend ge- und vermerkt habe. Aber auch hier gilt: Better late than never. Oder? Und Kochbücher - um die Kurve zu kratzen und auf mein heutiges Thema zurückzukommen - sind sowieso zeitlos, man kann ihnen auch nach Jahrzehnten bis Jahrhunderten verfallen.
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