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Samstag, 5. November 2016

SELBSTERFAHRUNG DURCH QUITTENEINKOCHEN

Frau war heftig am Selbsterfahrungswerk. Da jederzeit dafür bereit, ist das ja nix Außergewöhnliches. Diesmal aber hat es so ziemlich alles übertroffen, was bisher an Einschlägigem geboten wurde. Dabei sollten doch nur die Quitten eingemacht werden! Wie jedes Jahr zu Quittenkas, auch Quittenbrot oder Quittenkonfekt genannt (ich bleib der Kürze halber beim Kas, sprich Käse), verwandelt. Aber lassen Sie mich diese Geschichte des Scheiterns erzählen, ich muss dringend mein Trauma aufarbeiten...


Heute um halb acht Uhr früh stürzte ich mich voll des Tatendrangs auf die gestern gedämpften und nun ausgekühlrten Quitten. Zwei Ladungen im Dampfentsafter, fein vorbereitet. Es würde ruckzuck gehen, daher schnippelte ich - soweit dies meine Morgenverfassung zuließ - fröhlich vor mich hin. Länger als geplant, aber ich ließ mir die zweckoptimistische Laune und den mühsam zusammengekratzten Elan nicht verderben.



Dann der Griff zum "Zauberstab", um das Ganze zu pürieren. Oh. Das Schneidemesser, das länger schon unschöne Selbständigkeitstendenz aufgewiesen hatte, schaffte nicht einmal den Weg in die Schüssel und fiel mit zartem Scheppern auf den Boden. Pffft, danke, auf Wiedersehen.

Den Gedanken, mir das Messer rasch bei einer Freundin auszuleihen, verwarf ich augenblicklich. Ach was, machen wir es halt mit Muskelkraft, her mit der Flotten Lotte! Flott? Hüstelhüstel. Langsam und anstrengend sowohl für mich als auch für Lottchen. Hätte ein doppeltes gebraucht. Morgensport nennt man sowas wahrscheinlich. No Sports!


Erste selbstkritische Gedanken stiegen in mir auf. Warum bin ich eigentlich nicht rasch zur messerbesitzenden Freundin gefahren? Warum habe ich mir das angetan? Ist mal wieder tüüüüpisch...

Als nach zweieinhalb Stunden endlich der ganze Gatsch püriert und ich fix und fertig war, wog ich die verarbeitete Masse ab. Ach. Nicht, wie ich dachte, sieben sondern neun Kilo hatte ich seit gestern in meinen malträtierten Händen gehabt. Und allein das, was nun feinsäuberlich püriert vor mir lag, war nach dem Pürieren viereinhalb Kilo schwer.


Dann kam die fulminanteste Fehlentscheidung des an Fehlentscheidungen wahrlich nicht armen Tages. Statt mehrere Kochtöpfe mit den pürierten Quitten und dem inzwischen hineingerührten Zucker zu füllen und einen nach dem anderen fertig zu kochen, entschied ich mich für eine, was mir schon vor Beginn meiner Aktion klar war, Gewaltaktion.

Grinsend stellte ich eine Analogie her zu dem Handarbeitsspruch "langes Fädchen, faules Mädchen", (noch) grinsend dachte ich darüber nach, warum ich nicht meinen eigenen gern und oft gegebenen Ratschlägen folge und gegen besseres Wissen saudumm handle. Diese Gedanken, all die unzähligen Beispiele für meine Superaktionen haben ab diesem Zeitpunkt meine rührende Beschäftigung begleitet. Es ist mir viel eingefallen und ich hatte ausreichend Zeit dazu.



Mitsamt Zucker hatte ich nun in dem Topf neun (!) Kilo gezuckerten Fruchtbrei, leicht anbrennenden Fruchtbrei, schwer umzurührenden Fruchtbrei, Fruchtbrei, der bei großer Hitze heftig reduziert werden muss. Aber es geht sicher schneller mit einem einzigen Topf, immer vor Augen, dass danach alles gemacht ist, als wenn ich stundenlang einen Topf nach dem anderen fertig machen muss. Haha.

Wissen Sie, wie lang mein Quittenselbsterfahrungsseminar gedauert hat? Um punkt fünf Uhr nachmittag, nach vollen neuneinhalb Stunden, war alles soweit fertig. Vor allem ich. Hilfsmittel wie der Kinderhocker, der mir das Rühren von oben herab ermöglichte, brachten nur kurz Linderung für meine Oberarmmuskel. Dass ich mit dem Stockerl (dtdt: Hocker) beinahe umgerasselt wäre, erzähle ich lieber gar nicht.


Der Brei nahm und nahm keine Farbe an und insistierte auf seine viel zu feuchte Konsistenz, statt zu blubbern (was ich ihm ja verziehen hätte) ließ er riesige Luftblasen explodieren sobald ich kurz meine Rührgeschwindigkeit zurücknahm. Brennend heiße Breipatzerl nicht nur auf meinem Unterarm und im Gesicht, auch auf der Kochplatte, weshalb ich mit einer Hand rührte und mit der anderen wischte, auf dass der Zucker nicht einbrenne und die Kochplatte ruiniere..


Da fiel mir ein, dass ich ja noch zwei Liter Quittensaft einmachen wollte. Im Sinne meiner grandiosen Zeitplanung stellte ich um ein Uhr diesen Topf auch noch auf den Herd, rührte simultan, wischte und rühte und hielt in Windeseile dazwischen rasch die Brandblasen unters kalte Wasser. Der Induktionsherd und somit die Möglichkeit, rasch die Temperatur zu reduzieren, hat sich spätestens in diesen Augenblicken als Segen erwiesen.

Um zwei Uhr beschloss ich angesichts des noch immer blässlichen Quittenbreis, endlich Vernunft walten zu lassen und die Masse zu teilen. Wobei ich mich dafür entschied, die Hälfte im Topf zu lassen und mit der anderen Hälfte das Backofenexperiment durchzuführen. Mit Umluft und moderater Hitze sollte doch die darauf folgende Fertigstellung im Topf verkürzt werden.


Ab diesem Zeitpunkt verteilte ich meine Aufmerksamkeit also auf drei Tatorte und rührte abwechselnd oben rechts, oben links und unten rechts und links und vorne und hinten. Letzteres offensichtlich zu wenig, denn in Windeseile schäumte die Masse so auf, dass sie sich über das ganze Backrohr ergoss.


Dank der Beschleunigung waren nach einer Stunde beide Portionen Quittenkas fertig, das Gelee war vorher schon abgefüllt und weggestellt. Das Putzen des Backrohrs dauerte dann noch eine weitere Stunde.

Ich entschied mich für die manuelle Putzerei, war ich doch nicht sicher, ob ich per Pyrolyse das Email komplett kaputt machen würde. Kurz bevor ich angesichts der kaum merkbaren Fortschritte aufgeben wollte, kam glücklicher Weise der Mann und machte sich weiter ans Putzwerk. Die Bilder vom durch die zweiten Ladung weiter versauten Backofen mit dem eingebrannten Zuckerbrei erspare ich Ihnen. Sie würden Ihnen die Nachtruhe rauben. Diese Dokumentation der Endphase der Putzaktion ist schon schlimm genug.


Aber überraschender Weise blitzt und blinkt das Backrohr wieder, was sogar der Hund bestaunen musste. Es sei übrigens noch so nebenbei erwähnt, dass die Kamera auch von einer pickenden Schicht befreit werden musste. Von mir. War nicht so anstrengend.


Und was lerne ich daraus (oder könnte ich daraus lernen...)? Die Backrohr-Idee sollte ich mir merken. Aber auch, dass dafür ein wesentlich höheres Gefäß nötig ist als das Saftblech, auch wenn es nur zur Hälfte gefüllt war.

Lernen sollte ich unbedingt daraus, denn nicht nur das Rühren oder gar das Putzen war alles andere als lustig. Insbesondere auf diesen hardcore Selbsterfahrungstrip würde ich gerne in Zukunft verzichten. Dieses Seminar sollte ich nicht wieder buchen, auch wenn es außer Nerven und Muskelkraft nix gekostet hat.


Könnten Sie mich bitte nächstes Jahr zur Quittenerntezeit daran erinnern? Oder kann mich gar irgend jemand davon abhalten, solche Superideen in die Tat umzusetzen? Ich wäre zutiefst dankbar und würde mich gerne mit einer großen Portion Quittenkonfekt dafür bedanken!

PS: Sollten Sie Interesse am Rezept samt Zubereitungstipps ohne Schnapsideen haben, so schauen Sie bitte hier nach. Und befolgen zumindest Sie meine Ratschläge.

PPS: Falls Sie sich wirklich meine Traumabewältigung bis hierher angetan haben, hier zur Belohnung noch Küchentechnisches. Aus Platzgründen bewahre ich diese Masse im kühlen Keller luftdicht verschlossen in den (wiederverwendeten) Alu-Behältnissen auf und bereite sie je nach Verwendung kurz vorher zu. Als Begleitung zu Käse schneide ich kleine Würfel, für Konfekt wälze ich diese in grobem Kristall- oder Zimtzucker oder auch in Kokosflocken und das eingekochte Gelee ist die Basis für meine Art von Quittensenf. Ich rühre es auf und vermische es mit Senfpulver und/oder Moutarde de Dijon. Sehr gschmackig zu Käse, Fondue Bourguignonne bzw zu Gebratenem.

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