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Donnerstag, 6. August 2015

MATIA MOU

Frau ist am Liebeserklärungswerk. An die Augen. Aus Gründen.

In den letzten Wochen hatte ich diverse Probleme mit meinen "Guckerln" und so ist mir die Selbstverständlichkeit, mit der ich auf deren Dienste zurückgreife, abhanden gekommen. Jetzt hat sich alles soweit eingependelt und ich bin doppelt und dreifach froh und dankbar, dass ich wieder all das einsaugen kann, was mich an Schönheit umgibt. Nein, nicht nur Schönheit. Ich will alles sehen, damit ich es fühlen kann.


Die Griechen, die mir ja sehr am Herzen liegen, haben einen wunderbaren Kosenamen für ihre Liebsten. "Mátia móu", das heißt "meine Augen" und kommt in jedem zweiten Liebeslied vor. Für mich klingen diese zwei Wörter auch allein wie ein Liebeslied...

Es lässt sich mit "mein Schatz" übersetzen und ich mag gar nicht nachdenken, was das über uns aussagt. Mátia móu – wie kann man besser ausdrücken, wie wichtig jemand für uns ist?



Ach ja, wir bezeichnen im Deutschen auch jemanden, der uns besonders lieb ist, nicht nur mit dem monetären Vergleich, sondern als unseren Augenstern und außerdem haben wir eine sehr herzige Pflanze, die Augentrost heißt und die in der Volksmedizin zur Linderung von Augenbeschwerden eingesetzt wird.

Wenn wir schon beim Medizinischen sind: da gäbe es auch noch unseren Augenzahn und nun fällt mir der alttestamentarische Spruch "Auge um Auge, Zahn um Zahn" ein, der oft als Racherechtfertigung verstanden wird. Dabei bezieht er sich auf die Verhältnismäßigkeit von Strafen. Aber das ist ein anderes Thema.



Und schon taucht eine Augen-Erinnerung aus meinem Langzeitgedächtnis auf. An einen alten Briefträger, der in meiner Kindheit in den Sommerferien am Land die heiß ersehnten Postkarten brachte, die er vorher gelesenen hatte und deren Inhalt er während des Überreichens der Karte kurz und büdig zusammenfasste. Er trug ein Flinserl (dtdt: Ohrstecker) im linken Ohr und es hieß, dass ihm das half, seine Sehschärfe zu behalten. Böse Zungen behaupteten, um die auszutragende Post weiter rasch und ohne Brille lesen zu können.

Augenscheinlich weiche ich gerne vom Mittelpunkt meines Interesses ab, betreibe aber selten Augenauswischerei. Zumindest nicht jetzt, nicht im Augenblick.


Es gibt im Deutschen eine Vielzahl von Redewendungen, die mit dem Auge, dem Blick und dem Sehen verbandelt sind. Wenn uns etwas besonders wichtig ist, so hüten wir es wie unseren Augapfel und Gefahren sehen wir heldinnenhaft ins Auge.

Da ich ein ausgesprochener Augenmensch bin, verwende ich besondes viele dieser Redewendungen. Was nicht immer angebracht ist.

So besuchte ich vor Jahren einen blinden Klienten und als ich auf eine nicht zu beantwortende Frage leicht hilflos "Wir werden schon sehen" antwortete, konterte er "Sie vielleicht, ich nicht." Peng, das saß.

Ab diesem Augenblick suchte mich eine Obsession heim: aus mir sprudelte geradezu zwanghaft eine visuelle Metapher nach der anderen. Verzweifelt nach dem Wortrückholknopf suchend entschuldigte ich mich bei dem Blinden. Er lächelte keck und meinte: "Tun Sie sich keinen Zwang an. Ich halte das schon aus - wenn ich Sie damit aufziehen kann." Nach einem herzlichen "Auf Wiedersehen" meinerseits stolperte ich mit abhandengekommener Souveränität aus dem Haus.


Der spontan erfolgte Griff nach dem Zigarettenpackerl ergab, dass mir keine Stressabbauzigarette gegönnt war, ich musste rasch Suchtmittel nachkaufen. Die nächste Trafik (dtdt: Zigarettenladen) war an ein Wirtshaus angegliedert, das einen bewachten und kostenpflichtigen Parkplatz hatte. Der Mann, der eine für meine kurze Besorgung inadäquate Summe an Parkgebühr verlangte, hatte ein schiefes Gesicht, eines seiner Augen war vollkommen zugewachsen. Als er die von mir erwartete Summe nannte, lächelte ich ihn freundlich an und hörte mich sagen: „Ich bin doch gleich wieder weg, können Sie da nicht ein Auge zudrücken?“. Bevor er drauf reagieren konnte, reversierte ich, stammelte wirre Worte und zischte so schnell wie möglich ab.

Soviel zu meinem Augen-Vokabular und den Fallen, die ich mir damit zu stellen pflege.


Aber eigentlich wollte ich ja das Hohe Lied auf meine Augen singen und da kommt ein Gedicht von Heinz Erhardt vor mein geistiges Auge…
Die Augen sind nicht nur zum Sehen,
sind auch zum Singen eingericht’.
Wie soll man es denn sonst verstehen,
dass man von Augenliedern spricht?

Mit Schwung drängt sich nun einer meiner liebsten Liedertexte in mein Gemüt. Von Fritz Messner, dem Herz der Lungauer Querschläger. Wåssabloach heißt das Lied, in dem Augenmilch alles durchdringt. Der Text ist hier zu finden, die Übersetzung hier und anhören können Sie sich das Lied auch auf Youtube. Es gehört musikalisch zwar nicht zu meinen Querschläger-Favoriten, aber der innige Augentext in dem von mir geliebten Dialekt wärmen mein Herz.


Also so wird das nie was mit dem Ende dieses Blogeintrags. Ich kratze die Kurve mit einem Zitat des Malers der Spätromantik, Eugène Delacroix.

"Le premier mérite d'un tableau est d'être une fête pour l'oeil." (Der erste Verdienst eines Bildes ist es, ein Fest für das Auge zu ein.)

Schwuppdiwupp bin ich jetzt von der Malerei bei der Photographie und damit bei der Lust, die mir Sehen und Photographieren bereiten. Ich muss keine Kamera bei mir haben, ich habe interne Speicher für all die Bilder, die ich in mir aufnehme. Aber wenn ich mehr als meinen Sehapparat bei mir habe, dann genieße ich das Festhalten des Augenblicks, das Fixieren meines Blicks auf die Welt.


Den Gedanken, zu diesem Text Augenbilder zu stellen, habe ich aus Plattheitsgründen verworfen. Anscheinend habe ich aber bei der Auswahl der Bilder mein Unbewusste bemüht und auf das Leonardo da Vinci zugeschriebene Zitat "Das Auge ist das Fenster zur Seele" reagiert...

Ich widme hiermit einige der wenigen in diesem Jahr gemachten Photos meinen Augen. In Dankbarkeit. Mátia móu.

1 Kommentar:

  1. Was für ein WUNDERSCHNER Blogbeitrag, agapi mou!

    Mein Satz des Tage ist:
    "....und ich bin doppelt und dreifach froh und dankbar, dass ich wieder all das einsaugen kann, was mich an Schönheit umgibt. Nein, nicht nur Schönheit. Ich will alles sehen, damit ich es fühlen kann"

    WUNDERBAR!
    Kalimera oli mera, ich mag die Griechen auch sehr!

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