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Freitag, 21. Dezember 2012

ZOPFMUSTER

Nein, Frau ist nicht, wie man bei diesem Titel erwarten könnte, am Strickwerk. Sie beschäftigt sich mit alten Zöpfen und immer wiederkehrenden Mustern. Ist langwieriger als das Herstellen eines Pullovers, schmerzhafter und hoffentlich ertragreicher.


Rechts im Bild eine ägyptische Hieroglyphe, ein Phonogramm, das "H" bedeutet. Siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84gyptische_Hieroglyphen

Weihnachten ist angeblich das Fest der Liebe und das scheint enormen Stress zu machen. Aus meiner Praxis in der Sozialen Arbeit weiß ich, welche Katastrophen vor und zu Weihnachten passieren, kenne die weit verbreiteten grauen Zeiten voll von depressiver Verstimmung.

Gestern habe ich im Radio (in Ö1, meinem Lieblingssender) einen Beitrag gehört, der sich mit den Gründen dieser Phänomene befasste.

24. Dezember: Zu hohe Erwartungen?
Für jeden fünften Österreicher bedeutet Weihnachten Stress, ergibt eine aktuelle Studie des Meinungsforschungsinstitutes GFK. Zeitdruck, unumgängliche Verpflichtungen irritieren und die Frage nach dem Sinn des Festes kommt auf, tritt doch das religiöse Element - die Geburt Christi - immer mehr in den Hintergrund. Florian Petautschnig hat bei Gehirnforschern und Psychologen nachgefragt, warum wir so hohe Erwartungen an Weihnachten und im Speziellen an den 24. Dezember haben.

Kurz zusammen gefasstes Fazit: Wir werden in unserer Kindheit darauf programmiert. Unsere Eltern haben versucht, uns alles so schön wie möglich zu gestalten, wir waren als Kinder glücklich, Dopamin wurde in Mengen ausgeschüttet und das wollen wir weiter haben. "Alle Jahre wieder".



Mit diesen Hoffnungen, dieser Erwartungshaltung kann es ja nur prachtvoll schief gehen. Kann man nicht noch etwas tun, um die Katastrophe gut vorzubereiten?



Zum Glück schlägt da bei mir die weibliche Prägung zu. Habe ja nicht umsonst brav gelernt, dass man "des lieben Friedens willen" gute Miene zum bösen Spiel machen soll, dass man immer und immer wieder verzeiht und sich vor Augen führt, dass der / die Andere ja nicht anders kann und nur deswegen wild um sich schlägt. Au. Und vor allem, dass diese Person ja selbst unheimlich dabei leidet.

Da wird gelächelt und drübergewitzelt, was das Zeug hält. So lange, bis sich der Tränenkanal öffnet und das kleine, verwundete Kind freigibt, das nicht mehr fähig ist, erwachsen zu handeln.



Vorwürfe werden mit offenem Herzen angenommen, nach dem Motto je absurder desto lieb. Schnell alles, mit dem man beworfen wird, anheften. Nur ja nicht einen Schritt zurücktreten und den eigenen Gefühlen nachgehen, sondern sich ganz in das Denken und Fühlen des anderen versenken. Sonst geht dieses große Welttheater daneben.

Was aber ja nicht bei all dieser Hektik vergessen werden darf: Zorn über die Zumutung, über Bösartigkeiten und Beleidigungen muss runtergeschluckt werden, der würde ja dieses wunderbare Gefühl des Leidens zerstören!

So ganz nebenbei: schauen sie sich das Wort Beleidigung einmal genauer an. Und, wenn wir schon dabei sind, dann vielleicht noch das Wort Kränkung. Fällt mir nur gerade ein...



Bleiben wir weiter beim Zopfmuster. Das entsteht ja nicht plötzlich in einer Reihe, da sind viele vorhergehende und nachfolgende Reihen nötig, damit diese eine einzige Verdrehung der Maschen zur Wirkung kommt.

Für die volle Dramatik und Mehrdimensionalität des Musters wird an möglichst alte Prägungen angeknüft, die immer schon weh getan haben. Je mehr wir uns ohne Gegenwehr und ohne aufzumucken früher gefallen haben lassen, desto leichter fällt es uns jetzt, tief zu fallen. Je mehr wir uns nach den Wünschen der/des Anderen gerichtet haben, je mehr wir uns bis zur Unkenntlichkeit verdreht und den Vorgaben dieser Person angepasst haben, desto leichter fällt uns der Fall in die unendliche Trauer.



Jetzt aber noch zur aktivsten aller Mithilfen, nämlich dem Versuch, doch dem Anderen endlich begreiflich zu machen, was wir fühlen, warum wir was getan haben, wieso er/sie uns so traurig macht. Möglichst aus den tiefsten Tiefen unserer Gefühle heraussprudeln, damit das Ziel auch ja gut anzuvisieren ist.

Hei, das macht (oder besser: da machen wir?) uns in brillanter Art und Weise zum Opfer! Da geht's ab.




Egal, wie lange man gegen dieses Muster gearbeitet hat, wie sehr man sich damit auseinander gesetzt hat: zu Weihnachten funktioniert es wieder. Besser als zu jeder anderen Gelegenheit.

Ich frage mich nur, wie lange ich diesen alten Zopf noch stricken und in diesem Muster verharren will. Meine Verantwortung für mich sollte ich vielleicht wieder aufnehmen, so wie eine fallengelassene Masche und ein anderes Muster könnte ich zur Abwechslung auch einmal verwenden. Norweger? Schlichtes, musterloses Glatt? Oder doch, ganz keck, Verkehrt?

Deshalb wünsche ich mir zu Weihnachten von mir, dass ich diese Art der alten Zöpfe und fatalen Muster weglege, mich den bösen Spielen entziehe und lieber die Bauklötze herauskrame. Dabei kann man lernen, dass eine tragfähige Basis unverzichtbar ist und dass es nicht genügt, diese herbeizuphantasieren und -sehnen.




In diesem Sinne wünsche ich uns allen den Mut, uns nicht weiter zu verstricken, sondern Neues zu beginnen. Jetzt und sofort.

1 Kommentar:

  1. Wow. Gewichtige Worte. Danke! Habe jetzt leider nicht die Zeit, sie ausführlicher zu kommentieren. Weil ich im Weihnachtsstress bin? Nein. Habe nur schon mal etwas komplett Neues begonnen und das kostet mich gerade viel Zeit. Eine schöne Zeit.
    Lass es dir gutgehen die Tage - und auch sonst!

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