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Samstag, 29. November 2014

PARIS VON UNTEN

Frau ist, wie üblich, am Nachdenkwerk. Anlass dazu gibt eine kürzlich absolvierte Reise nach Paris und das, was ich gesehen. Und was ich nicht gesehen habe.



Diesmal war ich ausschließlich im touristischen Teil der Stadt unterwegs. Im wohlgeputzten, bürgerlichen Zentrum. Wunderschön, trubelig, schrill und zart - wie immer. Mit einem leichten Überhang an "weißen" Einheimischen, aber es sind mir durchaus auch Menschen anderer Hautfarbe in Businesskleidung oder gediegener Freizeitkluft untergekommen.

Trotzdem war es offensichtlich, dass die Dunkelheit der Hautfarbe mit dem Sozialprestige der Tätigkeit zusammenhängt. Je unqualifizierter die Tätigkeiten waren, die ich beobachtete, desto wahrscheinlicher war es, dass sie von "farbigen" Menschen ausgeübt werden. 

Sehr oft kamen sie übrigens irgendwo aus den Tiefen der Häuser heraus. Eine dunkle Hand, die aus dem tiefliegenden Kellerfenster nach einem auf der Straße liegenden Schlauch griff, ein dunkler Körper, der stiegenputzend dem Souterrain entwuchs, ein schwarzes Bein als Vorbote einer Frau, die kinderwagenschleppend durch einen nach unten lichtgebenden Stiegenhausschlitz zu erkennen war.

Eines Tages, als ich schlaftrunken in meiner Lieblingsbar den Morgenkaffee schlürfte, tat sich plötzlich der Boden vor mir auf. Beim genauen Hinschauen bemerkte ich, dass eine vorher kaum sichtbare Klappe geöffnet wurde und langsam tauchte der Kopf eines Mannes auf. Eines Mannes, der eindeutig aus dem Maghreb stammte.

Da war das Wort für meine Beobachtungen geboren: Der Migrationsuntergrund. In welcher Generation immer sich der Migrationshintergrund abgespielt hat, diese Menschen waren im Untergrund. Außer jener oben abgebildeten Frau, die in luftiger Höhe die Fensterläden putzte. La bonne (dt: die Gute), wie man die "Haus- und/oder Kindermädchen" jeglichen Alters zu nennen pflegt.

Bei der Suche nach zu meinen Bildern passender Musik habe ich eine mich beglückende Entdeckung gemacht: Ridan. Die Schärfe seiner Texte und die meist leicht und manchmal auch "süß" dahinplätschernde Musik kontrastieren großartig. Genial sind dabei auch die Videos.

Einen der Texte, jenen von Madame la République, habe ich übersetzt. Sicher mit Fehlern, sicher ist es nur eine Annäherung, denn ich war bis weit über die Grenzen meines ärmlichen sprachlichen Könnens gefordert.

In der Hoffnung, dass sich jemand meldet, die/der Übersetzungsfehler verbessern kann, veröffentliche ich den (Annäherungs-)Text des Chansons. 

Madame La République française

Madame la République française dürfte ich sagen, was ich denke?
Sollte dies nicht der Fall sein, sähe ich es als Pflicht meines Gewissen.


Sie wissen, dass viele Menschen sich in Frankreich nicht mehr zurechtfinden
Und es vorziehen, in die Ferne zu fliehen, um dort ihr Glück zu versuchen.
Ihre Republik des Ausschlusses ist eine Schande für die Nation
Wie jene der Integration, die unter dem Druck zusammenbrechen wird.
Sie haben gar nicht die Waffen, mit denen man Überzeugungen zum Schweigen bringen kann,
Sie öffnen die Schleusen des Wahnsinn, die Sie in keinster Weise kontrollieren können.
Die Identität eines Volkes kann man nicht auf ein Papier schreiben
Auch Kunststoff ummantelt können die Menschenrechte nicht geschützt werden.


Refrain
Madame La République française dürfte ich sagen, was ich denke?
Sollte dies nicht der Fall sein, sähe ich es als Pflicht meines Gewissen.
Madame La République française, die Sie sich wegen dieser Beschwerden winden werden
Ich bin weder eine Hure noch ein Unterworfener, ich bin ein Bürger von Frankreich
Ich bin weder eine Hure noch ein Unterworfener, ich bin ein Bürger von Frankreich


Und die Justiz, woran glaubt die, kann sie sich doch gar nicht ausdrücken
Sie exekutiert (sich) angepasst unter dem Druck des Elysée
Die demokratische Struktur in Frage stellend
Damit man eingreifen kann, wenn es brenzlig wird
Mit ungerechten Verfahren, solchen der Bananenrepubliken
Wie einen Joker aus ihrem Ärmel gezogen, was man dann Staatsraison nennt
Aber wenn dem Staat die Raison fehlt, dann hängt die Waage schief
Und man versteckt sich dahinter wie eine Frau unter der Burka.

Refrain

In der Abgeordnetenkammer ruft man die Tauben zum Dialog auf
Und man singt und gackert, um der Hahn im Hühnerhof zu sein
Das ist ein Sauhaufen, in dieser Bude sollte man einmal aufräumen
Das letzte Mal ist das im Mittelalter gemacht worden
Jeder lässt dort seinen Wortschwall raus, zusammenhanglose Gesetze von sich gebend
Aber mit dem einander Zuhören anzufangen wäre vielleicht die Basis eines guten Einvernehmens
Meine Herren Abgeordneten Frankreichs lächeln sie doch, sie werden gefilmt
Sie sind die neuen Stars dieser Realityshow „Frankreich“.

Refrain

Hören und schauen Sie sich das Video von Adnane Tragha an. Mir ist es ein Vergnügen zuzuschauen, wie herrlich rotzfrech Ridan sich die Symbole der "Grande Nation" aneignet und wie er geradezu schmeichelnd selbstbewusst dazu agiert. Das tut mir wohl nach den oben beschriebenen Beobachtungen.

Das Chanson und das Video sind scharf. Ganz schön scharf. Finde ich.

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