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Donnerstag, 1. November 2012

ALLERSEELEN

Frau ist auch manchmal am Trauern. Heute ist Allerheiligen, morgen Allerseelen. Zeit, der Trauer Raum zu geben.


Auf meiner letzten Reise war ich, wie üblich, auch auf dem einen und anderen Friedhof. Diese Bilder habe ich in einem Friedhof in der Normandie aufgenommen, der uns beim Spazieren ins Auge gestochen ist. Seine Tristesse ist fast nicht zu überbieten; er macht die Vergänglichkeit beklemmend spürbar.

 

ALLERSEELEN
Hermann von Gilm
(1812-1864)

Stell auf den Tisch die duftende Reseden,

Die letzten roten Astern trag herbei
Und laß uns wieder von der Liebe reden
Wie einst im Mai.

Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke,

Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei;
Gib mir nur einen deiner süßen Blicke
Wie einst im Mai.

Es blüht und funkelt heut' auf jedem Grabe,

Ein Tag im Jahre ist den Toten frei;
Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
Wie einst im Mai.



















Rührend finde ich immer die Verknüpfung zwischen profaner Alltagskultur und Totenkult.


Auf diesem Friedhof haben wir zum ersten Mal die Steintaferl entdeckt, auf denen "letzte Grüße" eingraviert waren, die bei uns üblicherweise auf Kranzschleifen gedruckt werden. Bei den neueren Gräbern standen sie zu Hauf.

Die Freundin, mit der ich unterwegs war, war ebenso wie ich ins Lesen der Inschriften vertieft und wir wunderten uns, dass es so viele Onkel Namens André in diesem Ort gab. Auch die Satzstellung war ungewöhnlich. "André oncle" stand dort. Erst als wir eine Tafel mit "André Maman" entdeckten und es für unwahrscheinlich hielten, dass diese Mutter ebenfalls André geheißen hatte, schauten wir genauer. Dort stand: "À nôtre oncle", "À nôtre maman". Der Steinmetz hatte offensichtlich zu wenig Platz gehabt, um die Wörter so von einander abzusetzen, dass wir auf Anhieb verstanden hätten. Im nahen Bellême fanden wir einige Tage später dann ein Geschäft, in dessen Auslage Begräbnisartikel nach dem Motto "André" zum Kauf feilgeboten wurden und das offensichtlich nicht nur uns faszinierte.


Da bei meiner Freundin und mir zum Glück Trauer und schwarzer Humor sehr nahe beieinander liegen, änderten wir unseren Trinkspruch und prosteten uns zu mit "André!", worauf die andere antwortete "Regret!".

Soviel zu meiner Verarbeitung von Trauer. Jetzt geht Frau wieder heiter und fröhlich ans Werk. Abends kommen Gäste, da wird ein Herbstmenü fabriziert. Möglicherweise photographiere ich die Speisen und wenn sie so gut werden, wie ich es mir jetzt vorstelle, dann publiziere ich auch das eine oder andere Rezept. 

"André!" (Sans regret).

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