Sonntag, 14. Dezember 2014

FRÜHER WAR MEHR... EINE REMINISZENZ

Frau ist am Erinnerungswerk. Adventerinnerungen aus grauer Vorzeit steigen auf. An eine Zeit, in der Weihnachtsschmuck zu Weihnachten und nur dann Hochglanz in die Zimmer brachte.




Natürlich könnte ich davon erzählen, dass in der Schule eine leere Krippe aufgestellt wurde, in die jedes brave Kind bei absolutem Wohlverhalten vorm Nachhausegehen einen Strohhalm legen durfte. Auf dass das Christkind nach seiner Geburt weich liegen möge. Aber solche Histörchen lasse ich lieber aus, sie lassen mich alt aussehen.

Nein, was mir seit langem durch den Kopf geht, ist die Verschiebung der Schmuckzeit. In meiner Kindheit trocknete der Adventkranz ab dem ersten Advent fröhlich vor sich hin, die Kerzen wurden täglich angezündet und es wurden Lieder gesungen. Adventlieder.



Der Weihnachtsbaum mit seinen Kugeln, Kerzen und wundersamen Glasgebilden - nicht zu vergessen die aufgefädelten Zuckerl - schlug wie ein Komet in das Alltagsgewand der Wohnung. Auch seine Kerzen wurden täglich angezündet und gesungen wurde auch. Bis Lichtmess. Denn dann, am 2.2., war die Weihnachtszeit endgültig zu Ende und der Baum (bzw das, was davon noch übrig war) wurde abgeschmückt.

Das tägliche Anzünden der Christbaumkerzen fand übrigens in meiner mittleren Kindheit ein jähes Ende. Eines besinnlichen Abends brannte nämlich der gut getrocknete Baum mit Getöse lichterloh. Der Geistesgegenwart meiner Großmutter, die die zimmerhohe brennende Fackel wie einen Speer packte, die dahinter befindliche Balkontüre aufriss und einen Weitwurf olympischen Ausmaßes in Richtung Garten hinlegte, ist es zu verdanken, dass alles glimpflich verlief. Ein Schauspiel erster Güte, aber nur dann von Herzen zu genießen, wenn man sich als Kind aller dramatischen Umstände zum Trotz sicher und geborgen fühlt.



Aber zurück zu meinem ursprünglichen Gedankengang. Wie gesagt: im Advent gabs zu Hause für die Sangesübungen und die Besinnung den Adventkranz, für die tägliche Spannung einen Adventkalender, der schlecht perforierte und daher schwierig öffenbar Bildchen fraglicher künstlerischer Qualität freigab, zu Besuch den Nikolaus mit ein paar Mandarinen (eine Attraktion, weil erst zu Nikolaus und nur bis Weihnachten verfügbar), Nüssen und etwas Schokolade und als außerhäusliche Attraktion den Christkindlmarkt. Und sonst nix. Außer Spannung und Erwartung, die durch das Vorgenannte intensiviert wurden.



Heute dagegen wird man von funkelnden und teilweise augenbetäubend blinkenden Christbäumen ab Ende November in jedem Winkel des Landes erschlagen. Die Wohnungen werden auf Teufel komm raus geschmückt und die Gärten kennen kein Dunkel mehr. Alles versinkt im Lichterkettenmeer.

Abgesehen davon, dass sich viele Menschen bereits Anfang Oktober an den feilgebotenen Lebkuchen überessen haben müssen, stapeln sich seit November die feinsten Leckerbissen in den Lebensmittelgeschäften; das Ablaufdatum zeigt an, dass sie nur unter Lebensgefahr zu Weihnachten gegessen werden können.


Dafür gibt es einen Ausgleich. Die (sündteuren) Christbäume sind bereits ab 26. Dezember auf der Straße zum Abholen bereitgestellt. Sicher nicht alle, aber bei meinen Hunderunden begegnen sie mir in erstaunlicher Anzahl. Die offizielle Abholung findet ab dem Dreikönigstag statt. Nach meinem Gefühl auch viel zu früh, aber im Grunde ist mir ja schon klar, dass in zentralgeheizten Wohnungen das behagliche Beobachten des Nadelns kürzer dauert als dazumals, als die Wohnungen noch nicht auf 22 Grad dauerbeheizt waren.

Um so mehr wundert es mich, dass Tannengrün bereits Anfang Dezember in Wohnungen einzieht. Wie mag das denn zu Weihnachten ausschauen? Dezentes Silbergrau, zumeist auf Boden und in Teppich?



Vor allem aber glaube ich, dass man sich - und vor allem die Kinder - durch das optische Vorziehen der Weihnachtszeit um die Ruhe bringt. Aus Lautsprechern rundum gedudelte Weihnachtslieder und zahllose Christbäume, helligkeitszuckende Lichterketten und blinkende Rentiernasen nehmen uns das einzig Schöne, das ich dieser grauen Zeit abgewinnen kann: die optische und akustische Stille.



Diese Reminiszenz begleite ich mit Bildern meines "Adventschmucks" vor der Haustüre. Im Grunde eine Kombination von Recycling (zB Blechdosen, die, von den alten Solarlichterln zart angestrahlt, hübsch leuchten und diverse Früchte aus dem Garten an Ästen aus ebendemselben) und Futterplatz für die Amseln. Die Meisen, Baumläufer und anderen Vogerl werden an anderer Gartenstelle gefüttert, hier haben die Amseln, die im Efeu wohnen, ihr Reich. Was man am regen Zuspruch bei Rosinen und Nüssen sieht und an dem unangetasteten Meisenknödel.

Was soll ich groß schmücken, wenn der Garten selbst so schönes wie die Hortensienblüten und die noch nicht von den Vogerl aufgefressenen Hagebutten bietet?


Nun kehre ich zu meiner Mandarine zurück. Die ist was Besonderes, denn Mandarinen gibt es bei mir nach wie vor erst ab Nikolaus und nur bis nach Weihnachten. Sprich nach Lichtmess.

Ach, Sie finden, ich sei hoffnungslos altmodisch, unflexibel und so und überhaupt? Ja, in diesen Dingen schon. Weil ich das Wechselspiel zwischen laut und leise, hell und dunkel, bunt und monochrom, ja sogar (fast) Askese und Überfluss mag.

Bald werde ich vielleicht auf Loriots Art jeder und jedem, der es nicht hören will, in Endlosschleife vorjammern: früher war mehr Ruhe.

PS: leider kann ich mich beim Jammern nicht auf das Lametta-Ausmaß beziehen. Den fand ich immer schon grässlich und mein Selbstbild verlangt strenge Abgrenzung dazu.^^

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