Donnerstag, 6. Oktober 2011

PHILOMANIE oder DER URSPRUNG VON FACEBOOK

Dass Kreta eine der Wiegen der europäischen Kultur ist, weiß man. Die kulturellen Höchstleistungen der Minoer sind hinlänglich bekannt.
Dass diese prachtvolle Insel aber auch eine hochaktuelle Errungenschaft des Internet hervorgebracht hat, ist eines der Geheimnisse, auf deren Spur ich 2009 während meines Teilzeitausstiegs in dieser prachtvollen Region gekommen bin.

Dafür habe ich zwei Erklärungsansätze gefunden:
Erstens ist das Wort fílos (Freund) schlicht das Gegenteil von xénos (Fremder). Wenn ein Kreter also jemanden wiedererkennt so wird derselbige, da ja nicht fremd, beFreundet. Beschleunigend wirkt sich dabei Interesse an der jeweiligen Person, sei es aus persönlichem oder auch ökonomischen Grund.
Die zweite Erklärung ist wesentlich komplexer:
Die Mehrzahl der Kreter und Kreterinnen ist ausgesprochen freundlich. Dankenswerter Weise auch zu Deutschstämmigen - trotz der unbeschreiblichen Gräuel der Nationalsozialisten während des 2. Weltkriegs.
Freund-lich. Das Wort ist Programm. Das bringt insbesondere kretische Männer dazu, bei der zweiten Begegnung einer an sich wildfremden Person kernig auf die Schulter zu klopfen und dabei derselbigen strahlend "Mein Freund" entgegenzuschmettern. Oder auch "My friend", wenn des Deutschen unkundig.

Soweit, so gut.
Nun kommt die Wanderungsbewegung mitteleuropäischer Seniorinnen und Senioren ins Spiel, die sich wegen mallorquinischen Platzmangels auch auf Kreta ausdehnt.
Das vermehrte Auftreten der Spezies "Rentier" (in Deutschland für das österreichische Wort Rentner bzw. Pensionist gebraucht) führt zu Zusammenrottungen von Rentier-Rudel in an und für sich ohne Mithilfe überaltenden Gebieten.
Da diese Rentier-Horden zumindest in manchen Aspekten recht anpassungsfreudig sind – sie wollen ja "echte Kreter und Kreterinnen" sein – wurde das Ritual des An-freundens übernommen. Deswegen verfügt jedes einzelne Individuum über eine stattliche Anzahl von Freunden. Die Freundinnen nicht mitgerechnet.

In Zeiten der Globalisierung und der Sammelwut wurde dieser kretische Brauch von findigen Köpfen aufgenommen, virtualisiert und ist nun weltweit als FACEBOOK bekannt.
Mein allgemein bekanntes Misstrauen führt dazu, dass ich keine Freunde sammle. Die wachsen nämlich weder in Büchern noch auf Kreta.

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